Wer kennt es nicht? Junge Menschen stehen in der städtischen Fußgängerzone und sprechen erwartungsvoll vorbeieilende Passanten an, um sie zu einer Spende oder Unterschrift zu überreden. Samstagmorgens klingeln Spendensammler mit einer kleinen Box an der Haustür, um auf die aktuelle Notstandssituation eines Zirkus aufmerksam zu machen. Alles für die gute Sache natürlich.
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Fundraising hat viele Gesichter. Eine der erfolgreichsten Methoden ist das Face-to-Face-Fundraising. Es beschreibt das „[…] direkte Anwerben von Förderern von Mensch zu Mensch […]“ mit dem Ziel „[…] potentielle Spender zu regelmäßigen, langfristigen Förderern zu machen“ (Bresser. 2009. S. 22). Dabei kann es sich um Haustürwerbung, Standwerbung oder „[…] fliegende Dialoger, die mit einem Klemmbrett unterm Arm Passanten ansprechen […]“ (Neitzsch. 2012. S. 14), handeln.
Vor allem in Österreich hat das Face-to-Face-Fundraising in den 90er Jahren sehr erfolgreich gestartet. Vereine wie Vier Pfoten und Greenpeace waren hier Vorreiter in der Akquise von Neuspendern (Vgl. Stadelhofer. 2012. S. 56). Allerdings sind im Laufe der Zeit immer mehr „schwarze Schafe“ in das Face-to-Face-Fundraising-Geschäft eingestiegen, wodurch die gesamte Branche in ein schlechtes Licht gerückt wurde.
Wie Face-2-Face-Fundraising nicht funktioniert
Passanten laufen durch Innenstädte, um schnell Besorgungen zu erledigen oder gemütlich shoppen zu gehen. Das typische Stadtbild ist heutzutage durch eine hohe Konzentration von Infoständen gekennzeichnet. An beliebten und zentralen Plätzen bauen Organisationen ihren Standplatz auf, um neue Spender zu generieren. Durch einen attraktiv gestalteten Stand sollen die Passanten sofort angesprochen werden. Organisationsmitglieder stehen bereits davor und sprechen die vorbeigehenden Menschen an.
Sicherlich hat die Mehrheit der Passanten sich einen Stand genauer angesehen und von den Mitarbeitern erklären lassen, worin die Aufgabe der Organisation besteht. Doch werden Bürger jeden Tag aufs Neue angesprochen, ist es kaum verwunderlich, dass viele gereizt auf das Thema Spenden anspringen. In Großstädten kann es durchaus vorkommen, dass Passanten mehrmals am Tag angesprochen werden und sich regelrecht durch Infostände „kämpfen“ müssen.
Eine überaus hohe Konzentration an Straßenwerbung ist ein Grund dafür, dass das Face-to-Face-Fundraising mit einem negativen Ruf in Verbindung gebracht wird. Bilder an Infostandkampagnen zeigen gequälte Tiere, halbverhungerte Kinder aus Afrika oder Menschen mit Behinderungen. Einige Vereine versuchen über mitleidserregende Plakate das Gewissen der Passanten zu beeinflussen und sie so zu einer Spende zu bewegen. Sie wollen doch wohl kein schlechter Mensch sein?!
Genau diese Methoden lassen das Face-to-Face-Fundraising in einem schlechten Licht dastehen. Die meisten der angesprochenen Passanten fühlen sich zwar betroffen, aber auch gleichzeitig genervt und unter Druck gesetzt (Neitzsch. 2012. S. 15).
Es stellt sich die Frage, ob Vereine tatsächlich mit dem übertriebenen Einsatz von mitleiderregenden Bildern und Plakaten arbeiten müssen, um Spender zu gewinnen oder ob ihnen schlichtweg überzeugende Argumente für den guten Einsatz ihrer Organisation fehlen?
Aus ethischen Prinzipien verbietet sich im Fundraising eine Vorgehensweise, die auf dem Einsatz von Horrorbildern und der Ausübung von Druck beruht. Zu schnell vermitteln diese Methoden ein unseriöses Bild, das im Umkehrschluss die gesamte Branche des Face-to-Face-Fundraisings betrifft. Auch ist es fraglich, ob Honorarkräfte mit einer in großen Teilen auf Provision basierenden Vergütung die angemessene Motivation aufbringen können um nachhaltige Spenderbeziehungen im Namen einer Nonprofit-Organisation aufbauen können. (Vgl. Werner. 2011. S. 44).
Nicht alle Organisationen sind in der Lage ihre Themen so aufzubereiten, dass sie in wenigen Minuten verständlich erklärt und zu einer Spende überzeugen können. Nur mit einfach aufbereiteten Inhalten werden Mitarbeiter an Infoständen in der Lage sein, Passanten von einer Spende zu überzeugen. Sehr komplexe Themen lassen sich noch schwieriger erklären, zumal wenn die Entscheidung einer Spende in nur wenigen Sekunden entschieden wird (Vgl. Stadelhofer. 2012. S. 56). Werden diese Kritikpunkte, die vor allem durch „[…] unseriöse und lästige Geldeintreiber […]“ (Werner. 2011. S. 44) entstehen, genauer betrachtet, scheint es kein Wunder zu sein, dass die Bevölkerung mit Misstrauen auf viele Fundraiser reagiert.
Warum Face-to-Face-Fundraising trotz allem funktioniert
Mit welchen Gründen hält sich nun das Face-to-Face-Fundraising trotz der negativen Entwicklungen so erfolgreich? Eine Vielzahl an Vorteilen zeigt, dass diese Fundraisingmethode durchaus ihre Daseinsberechtigung hat und so stets zu guten Ergebnissen bezüglich der langfristigen Spendergewinnung beiträgt. Für viele Organisationen, wie zum Beispiel Greenpeace, ist das Face-to-Face-Fundraising ein „[…] kontrolliertes Abenteuer“ und „[…] der Königsweg im Fundraising […]“ (Stadelhofer. 2012a. S. 13).
Eines der großen Vorteile ist die Transparenz, welche durch das direkte und persönliche Werben von Spendern gewonnen wird. Mitarbeiter können schneller und genauer auf die Fragen, Wünsche und Bedürfnisse der potenziellen Spender eingehen und ebenso schnell darauf reagieren. Themen werden dadurch leichter verständlich und die möglichen Spender können sich eher etwas unter den Problemen und Zielen vorstellen.
Durch den direkten Kontakt entsteht zudem schneller eine Verbindung zwischen dem Verein und dem Interessenten, was vor allem für die Gewinnung von Dauerspendern von großer Bedeutung ist.
Ein weiteres wichtiges Stichwort bezüglich Face-to-Face-Fundraising ist die Authentizität. Diese geht mit der Forderung nach Transparenz einher. Im Gegensatz zu Spendenmails können Infostandkampagnen ein klareres Bild der Vereinsziele, -werte und -normen schaffen. Personen, die sich ehrlich umworben fühlen und mit dem Verein identifizieren können, werden auch eher bereit sein eine dauerhafte Fördermitgliedschaft einzugehen.
Trotz der hohen Frequenz von Infoständen in Städten, die von vielen als lästig und nervig aufgefasst wird, kann dieses Fundraisinginstrument große Resonanz verzeichnen und ist zumeist profitabel bei der Neuspendergewinnung. Auch wenn nur einige Interessierte an diesen Ständen halten, so können gerade in direkten Gesprächen die meisten Dauerspender gewonnen werden. Zwar erfassen andere Fundraisinginstrumente wie E-Mails und Briefe eine breitere Masse an Menschen, doch das direkte Gespräch kann eher noch Ungereimtheiten und mögliche Skepsis sofort aus der Welt schaffen.
Agentur einsetzen oder selber machen
Das wohl wichtigste und einflussreichste Argument, um dem Face-to-Face-Fundraising ein konstant positives Image zu geben, sind die Mitarbeiter. Nur motivierte und gut geschultes Personal besitzen die Kompetenzen, um Vereinswerte und -ziele menschlich und überzeugend zu vermitteln und dabei gleichzeitig ein Gespür für die Erwartungen, Ängste und Bedürfnisse des potentiellen Spenders zu haben.
Dabei scheint der Trend Agenturen für die Kampagnen einzusetzen wieder rückläufig zu sein (Vgl. Habeler. 2010. S. 25). Immer mehr Face-to-Face-Kampagnen werden von der Organisation selbst entworfen und organisiert. Dies hat mehrere Vorteile. Zum einen zeigen die eigenen Vereinsmitarbeiter meistens die größte Motivation. Sie identifizieren sich hundertprozentig mit der Vereinsarbeit und wissen, worauf es bei der Spendergewinnung ankommt.
Agenturen arbeiten zwar professionell, doch die Gefahr von unmotivierten, schlecht bezahlten und wenig informierten Mitarbeitern, die halbherzig einen Infostand betreuen, ist um einiges höher. Die Mitarbeitermotiviation ist grundverschieden. Zum anderen wirkt die Spendenwerbung wesentlich authentischer. So konnte Greenpeace CEE eine Steigerung der Jahresspende in Österreich verzeichnen, nachdem sie sich wieder selbst um ihre Kampagnen kümmerten (Vgl. Habeler. 2010. S. 24).
Elke Wagner, spricht aus Erfahrung, wenn sie sagt: „Nur besonders motivierte und bestens geschulte Mitarbeiter stellen erfolgreiches Werben sicher“ (Werner. 2011. S. 45). Arbeiten Fundraiser mit Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit, so bestechen sie mit überzeugenden Qualitätsmerkmalen. Es sollte dabei nicht vergessen werden, dass die Mitarbeiter stellvertretend für die gesamte Organisation gesehen werden und damit das Bild über die Organisation mit nur einer Kontaktaufnahme stehen oder fallen kann. Eine angemessene Bezahlung sollte dabei nicht zu viel verlangt sein.
Wie sich das Face-2-Face-Fundraising verändern muss
Es braucht Qualitätsstandards für das Face-2-Face-Fundraising, die verbindlich sind für Organisationen und Dienstleister. Der Qualitätszirkel Face-2-Face-Fundraising sollte in diese Richtung gehen, doch ist seit Gründung im Jahr 2011 nichts Wesentliches in diese Richtung zu hören.
Die Fundraising-Branche braucht mehr Engagement in der Selbstregulierung. Wir Fundraiser dürfen Infoständen nicht aus dem Weg gehen. Stattdessen sollten wir zu denjenigen gehören, die aktiv und kritisch Fragen stellen.
Die eingesetzten Arbeitsmittel an den Informationsständen sollten überdacht werden. Zwar bewirken Bilder, Plakate und Flyer immer noch einen gewissen Effekt, jedoch könnten mit Hilfe von Tablets auch Multimedia-Inhalte dargestellt werden. Werden sie effektiv eingesetzt, können sie viele Themen inhaltlich und in ihrer Darstellung bereichern. Dies bietet die Chance Gespräche tiefgehender zu gestalten und an inhaltlicher Qualität zu gewinnen. So könnten dem potentiellem Spender beispielsweise Grafiken und Diagramme zur Veranschaulichung gezeigt werden – und zwar zu den Themenbereichen und Aspekten, die in dem Moment interessieren.
Face-2-Face-Fundraising ist kein Instrument, dass losgelöst und einzeln eingesetzt werden sollte. Stattdessen gilt es sie in Kampagnen einzubetten, also mit Plakaten, pressewirksamen Aktionen, Online-Kommunikation und Mailings zu verbinden. Dabei geht es nicht um bundesweite Kampagnen sondern um die lokale und mehrtägige Multi-Channel-Kommunikation.
Mehr Informationen zu Qualität im Face-2-Face-Fundraising findest du im Interview mit Ricarda Raths über den Qualitätszirkel Face-2-Face-Fundraising.
1 Comment
Wenn ich das schon wieder lese, Kritik an (“Face to Face”) (Crowdfunding)/Fundraising in allen Ehren, aber konstruktiv ist diese hier ganz und gar nicht. Das sind keine “Horrorbilder”, das ist oft bittere Realität und genau das wofür die Hilfsorganisationen stehen (oder zumindest sollten), eben unter anderem, Menschen in Not oder Armut zu helfen. (Mit “Mitleid” hat das normalerweise nicht wirklich was zu tun) Die wirkliche Frage ist doch für die meisten Menschen/Spender ob das Geld, ihr (OFT HARTVERDIENTES) Geld wohlbemerkt, wirklich dazu benutzt wird um eben eine positive Veränderung in diesen Ländern oder der Welt herbeizuführen. Oder ob das alles gelogen ist etc. Transparenz hin oder her. Das (dieser Text hier) schreckt die Leute eher ab (sich damit auseinanderzusetzen), die eben nach ehrlichen Erfahrungen suchen und die dort vielleicht mithelfen wollen oder sich das als (vorübergehenden) Job aneignen möchten. Das Argument der erfahrenen und geschulten Mitarbeitern ist auch völliger Schwachsin, wenn Aushilfen/Studenten, was auch immer ehrlich behandelt und aufgeklärt werden. Das mit dem Druck und den schlechten Arbeitsbedingungen stimme ich allerdings zu, wobei darauf nicht wirklich eingegangen wird sondern es wird sich wieder nur auf den Druck auf die Passanten bezogen….das nützt dem Diskurs leider gar nichts…