In der Geschichte des Spendens und Stiftens gab es immer wieder Veränderungen in der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Philanthropie und dem konkreten Handeln, den Strategien beim Geben. Jakob Fugger stiftete 1521 mit der Fuggerei die älteste bestehende Sozialsiedlung, um sein Seelenheil zu sichern und aktiv einen Beitrag gegen Armut im Augsburg des Mittelalters zu leisten. Jakob Fuggers Vorgehen beim Stiften war in seiner Zeit ein Gesprächsthema.
Andrew Carnegies Gospel of Wealth hat 1889 Spenden für wohltätige Zwecke als moralische Pflicht verstanden. Er hat, unter anderem, den Bau von Bibliotheken incentiviert, indem er Kommunen 50% der Kosten durch eine Spende finanziert hat, wenn diese selbst die anderen 50% mobilisiert. Carnegies Denken zum Spenden und Stiften hat den Diskurs in Nordamerika und darüber hinaus lange geprägt und brachte neben der Moral, Themen wie Strategie und Wirkung im Zusammenhang mit Philanthropie auf. Noch heute beziehen sich vermögenden Privatpersonen auf diesen Ansatz. Warren Buffet und Bill Gates begründen mit den Überlegungen von Carnegie sogar Ihren Giving Pledge.
In den vergangenen 20 Jahren ist die Vielfalt der Ansätze und Überlegungen in der Philanthropie enorm gewachsen. Es haben sich Bücherregale mit Fragen zur Praxis des Stiftens und Spendens gefüllt. In Forschung und Management wird der Frage nachgegangen, was die richtige Strategie ist, um mit einer Spende positive gesellschaftliche Veränderungen zu erreichen. Instrumente wie die Theory of Change, Logical Frameworks, SWOT Analysen und vieles mehr, haben seitdem Einzug in der Welt des Spendens und Stiftens gehalten. Parallel wuchs die Bedeutung von Evaluationen, der Beschreibung, Dokumentation von Wirkung. Es ist nicht überraschend, dass eine Webseite des Foundations Centers, jetzt Candid, in den USA zum Thema, weit mehr als 100 Methoden dokumentiert, wie Wirkung beschrieben werden kann (TRASI Foundation Center/Candid).
Diese Entwicklungen sind „Spielarten“ in einem sich stetig sich weiterentwickelnden philanthropischen Sektor. Die neueren Spielarten sind, zum Beispiel, die wachsende Bedeutung von digitalen Daten bei Analyse von Förderentscheidungen oder der Aufruf zu mehr Kollaboration zwischen Stiftungen, Not-For-Profits, dem Staat und anderen Akteuren im Sinne von „collective impact“. Die Liste kann fortgeführt werden mit Schlagworten wie Impact Investments, Giving Circles, aktivistisches Geben und vielem mehr.
Ja, die Welt des Spendens und Stiftens verändert sich gerade mit hoher Geschwindigkeit. In dieser Welt existiert jetzt auch schon seit einiger Zeit die Idee des effektiven Altruismus. Die Bücher des australischen Philosophen, Ethikers Peter Singer, die die Grundlage für diese Bewegung bilden, sind auch nicht mehr die Neuesten. Effektiver Altruismus – Eine Anleitung zu einem ethischen Leben ist 2015 in Englisch und sein Buch Leben retten – Warum sich Armut abschaffen lässt – und warum wir es nicht tun schon im Jahr 2009. Parallel dazu sind Organisationen wie GiveWell oder die Bewegung Effective Altruism entstanden, die die Ethik von Singer in der Praxis der Philanthropie, bei gesellschaftspolitischen Fragen erproben, anwenden und weiterentwickeln.
Eine tiefe philosophische oder gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit den Werten und Ideen dieser Bewegung und deren für viele im Sektor radikalen Verständnis von Wirkung kann ich hier nicht leisten. Jedoch wird im Diskurs über den effektiven Altruismus deutlich, dass er die Philanthropie bereichert. Die Bewegung stellt unangenehme Fragen zum „Wer, Wie Was, Wieso, Weshalb, Warum“ des Gebens. Der Sektor muss sich diesen Fragen stellen, den nur so wird er besser werden. Die Antworten aus meiner Sicht ruhig kritisch sein und zu anderen Schlussfolgerungen kommen dazu was sinnvolles, gutes Spenden und Stiften ist.
Genauso muss sich die Bewegung des Effektiven Altruismus Fragen stellen lassen. Fragen, wie Dreilinden, Wider Sense und Phineo sie gerade begonnen haben mit Stiftungen aus ganz Deutschland unter #VertrauenMachtWirkung zu diskutieren. Denn Wirkung erfordert eine Auseinandersetzung mit Transparenz, Macht, Diversität, Partizipation und weiteren Themen.
Philanthropie wird am Ende nur einen transformativen Beitrag für unsere Gesellschaften haben, wenn sie sich aktiv nach der eigenen Rolle in diesen fragt. Die Vielfalt der Antworten in der Welt des Spendens und Stiftens sollte eine Bereicherung sein, oder nicht?