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Effektiv Spenden – Spendenplattform für hohe Wirksamkeit

Spender geben nicht nur für ein gutes Gefühl, sondern um mit ihrer Spende eine hohe Wirkung zu erzielen und damit das Leben möglichst vieler Menschen möglichst umfassend zu verbessern. Hinter dieser Maxime steht der Effektive Altruismus. Mit www.effektiv-spenden.org ist nun eine Spendenplattform gestartet, die sich dem Effektiven Altruismus verschrieben hat.

Sebastian Schwiecker (Foto: Judith Wagner)
Sebastian Schwiecker (Foto: Judith Wagner)

Einer der Köpfe der Plattform ist Sebastian Schwiecker. Vor gut zehn Jahren organisierte er das erste Socialcamp in Berlin zur Vernetzung von digital aktiven in der Nonprofit-Szene. Später gründete er Helpedia gegründet (mittlerweile in fundraisingbox aufgegangen) und arbeitete bei betterplace.org mit.

Mit effektiv-spenden.org startest Du ein neues Projekt. Wie unterscheidet sich dieses von anderen Spenden-Plattformen?

Sebastian Schwiecker: Uns von effektiv-spenden.org geht es nicht darum, eine möglichst große Zahl von Hilfsorganisationen zu präsentieren, sondern nur die nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft weltweit wirksamsten. Im Gegensatz zu bestehenden Spendensiegeln reicht es dabei nicht aus, dass diese Organisationen bestimmte Mindeststandards einhalten oder über ein Wirkungspotenzial verfügen, sondern darum, wie effektiv sie eine zusätzliche Spende einsetzen, also wie viel Gutes sie damit erreichen können. Dafür ist es natürlich auch notwendig, einzelne Hilfsorganisation direkt miteinander zu vergleichen. Das macht hierzulande bisher niemand.

Die Möglichkeit, direkt über unsere Webseite an diese Organisationen zu spenden, bieten wir vor allem deshalb an, weil die von uns empfohlenen Organisationen ihren Sitz im Ausland haben und man eine direkte Spende an sie in Deutschland nicht von der Steuer absetzen kann. Wenn man an uns spendet, leiten wir 100% der Spenden an die ausgewählte Organisation weiter und können außerdem eine Spendenquittung für das deutsche Finanzamt ausstellen, da wir selber in Deutschland als gemeinnützig anerkannt sind.

Ihr empfehlt Organisationen in den Bereichen Wirkungsnachweis, Kosteneffektivität, Wachstumspotential und Transparenz. Wie objektiv und transparent sind Eure Bewertungen dazu?

Sebastian Schwiecker: Unsere aktuellen Empfehlungen beruhen in erster Linie auf den Analysen des auf die Evaluierung von gemeinnützigen Organisationen spezialisierten Forschungsinstituts GiveWell, mit dem wir seit mehr als 10 Jahren in Kontakt stehen. Zumindest mir ist weltweit keine transparentere Organisation bekannt. Es werden nicht nur die Forschungsergebnisse offengelegt, sondern auch die Quellen und viele der Gesprächsnotizen. Auch die dahinter liegenden Berechnungen samt Erklärungen können auf deren Webseite heruntergeladen werden, so dass man sie besser nachvollziehen und bei Bedarf überprüfen kann. Sogar die Aufsichtsratssitzungen von GiveWell werden mitgeschnitten und im Internet veröffentlicht.

Die Bewertungen sind auch insofern objektiv, dass GiveWell – ebenso wie wir – keinerlei Gebühren oder anderweitige Vergütung von den empfohlenen Hilfsorganisationen erhalten, sondern komplett unabhängig finanziert sind.

Die Herausforderung besteht insofern nicht in mangelnder Transparenz oder Objektivität, sondern darin, sich von der Menge an Informationen nicht überfordert zu fühlen. So handelt es sich bei den Evaluationsberichten von GiveWell im Endeffekt um kleine Doktorarbeiten mit meist mehr als 100 Fußnoten. Das ist also nicht nur in Sachen Transparenz, sondern auch qualitativ auf einem ganz anderen Level als alles theoretisch vergleichbare, was es bisher in Deutschland gab.

Um das auch für Menschen zugänglich zu machen, die zwar mit einer Spende dazu beitragen wollen, die Welt ein bisschen besser zu machen, sich aber nicht wochenlang in das Thema einarbeiten wollen, stellen wir auf effektiv-spenden.org deutlich kürzere Zusammenfassungen in deutscher Sprache zur Verfügung. Diese sind so aufbereitet, dass man kein Wissenschaftler sein muss, um zu verstehen, was die empfohlenen Organisationen machen und was sie auszeichnet. Wer tiefer eintauchen möchte, findet bei uns aber natürlich auch die Links zu den tiefergehenden Analysen.

Startseite von effektiv-spenden.org

Für Eure Plattform vertraut ihr auf die Arbeit der Organisation Give Well in San Francisco. Wer überprüft die Prüfer?

Sebastian Schwiecker: Aufgrund der bereits erwähnten beispiellosen Transparenz von GiveWell ist es für uns wie für andere relativ einfach, die Prüfer zu prüfen. Natürlich gab es auch immer wieder Menschen die GiveWell öffentlich kritisiert haben, was wir genau verfolgen. Der härteste Kritiker ist aber vermutlich die Organisation selber. So ist ein Teil der Hauptnavigation der Webseite von GiveWell für den Bereich “Our Mistakes”, also “Unsere Fehler” reserviert, in der man nicht nur falsche Entscheidungen der Vergangenheit dokumentiert, sondern auch aufzeigt, wie man diese in Zukunft vermeiden will. Darüber hinaus beauftragt GiveWell auch immer wieder externe Forscher, um die eigene Arbeit kritisch zu beleuchten.

Bislang empfehlt ihr drei Organisationen. Wie viel Wachstumspotenzial besteht hier für die Auswahl weiterer Organisationen?

Sebastian Schwiecker: Unser Ziel ist es nicht, eine möglichst große Zahl von Organisationen zu präsentieren, sondern nur die weltweit effektivsten. Wir sehen hier Wachstum also nicht als Selbstzweck, sondern wollen potentiellen Spenderinnen ganz klare Orientierung geben. Hier wird wieder der Unterschied zu bestehenden Spendensiegeln deutlich, die ja an mehrere hundert Organisationen vergeben werden. Diese richten sich eher an Menschen, die bereits entschieden haben, an wen sie spenden und sich noch einmal vergewissern wollen, dass diese Organisation seriös ist und bestimmte Mindeststandards einhält. Wir richten uns an Leute, die vor allem das Ziel verfolgen, mit ihrer Spende möglichst viel zu bewirken und sich noch nicht für eine bestimmte Organisation entschieden haben.

Was wir uns allerdings vorstellen können, ist uns thematisch breiter aufzustellen. Aktuell schauen wir uns insbesondere die Bereiche Tierleid und die Klimakrise genauer an und hoffen bis zum Ende des Jahres, auch in diesen Bereich Empfehlungen aussprechen zu können.

Unter den Empfehlungen ist keine deutsche Organisation. Sind diese nicht effektiv genug?

Sebastian Schwiecker: Zumindest ist uns aktuell keine Organisation mit Sitz in Deutschland bekannt, die ihre Wirksamkeit auf die gleiche Weise nachweisen kann wie die von uns empfohlenen Organisationen. Das bereits erwähnte Forschungsinstitut GiveWell ist durchaus bereit, auch deutsche Hilfsorganisationen zu untersuchen. Und da eine positive Bewertung defacto mit einer millionenschweren Förderung verknüpft ist, gibt es auch erhebliche Anreize, sich einer solchen Evaluierung zu unterziehen. Dass das bisher keine in Deutschland ansässige Organisation gemacht hat, deutet aus meiner Sicht darauf hin, dass man selber nicht so von der eigenen Wirksamkeit überzeugt ist, denn warum sollte man sich sonst die zur Verfügung stehenden Mittel entgehen lassen.

Allgemeiner gesprochen ist es natürlich auch so, dass der gemeinnützige Sektor in Deutschland im Verhältnis zum Rest der Welt sehr klein ist, was es allein statistisch unwahrscheinlich macht, dass ausgerechnet hierzulande die besten Hilfsorganisationen zu finden sind.

Da die von uns empfohlenen Organisationen praktisch ausschließlich in extrem armen Ländern arbeiten, weil sie dort mit den gleichen Mitteln eine größere Wirkung erzielen können, spielt es aus meiner Sicht ohnehin keine große Rolle, wo eine Organisation ihren offiziellen Sitz hat. Mir geht es ja, genauso wie den Menschen, die wir ansprechen wollen, darum, mit den Mitteln, die ich bereit bin zu geben, so vielen Menschen wie möglich so gut wie möglich zu helfen. Dabei ist es für mich völlig nebensächlich, ob im Impressum der von mir unterstützten Organisation Berlin, London oder Nairobi steht.

Die bisherige Auswahl von drei effektiven Hilfsorganisationen auf effektiv-spenden.org

Auf der Startseite von effektiv-spenden.org heißt es “Wer spendet, will möglichst viel bewirken”. Glaubt ihr, dass effektive Wirksamkeit allen Spendern die wichtigste Motivation ist?

Sebastian Schwiecker: Es ist sicherlich nicht für alle Menschen die wichtigste und schon gar nicht die einzige Motivation, zu spenden. Viele Menschen möchten beispielsweise etwas in ihrem direkten Umfeld verbessern oder haben zu einem bestimmten Problem einen ganz individuellen Bezug. Natürlich ist es völlig legitim, auch danach zu handeln.

Auf der anderen Seite ist es ja kein Geheimwissen, dass noch immer sehr viele Menschen auf der Welt in extremer Armut leben und jedes Jahr viele Millionen Kinder unnötig sterben. Wenn man sich dagegen engagieren möchte, glaube ich schon, dass viele Menschen durchaus das Ziel haben, mit ihrer Spende möglichst viel bewirken, also möglichst vielen Kindern eine Zukunft geben zu wollen. Gleiches gilt für die Bereiche Tierleid und die Klimakrise, denen wir uns im Laufe des Jahres zuwenden wollen. Wenn man die Chance hat, mit der gleichen Spende zwei statt nur einem Tier ein leidvolles Leben zu ersparen oder zwei statt nur eine Tonne CO2 zu vermeiden, dann gehe ich davon aus, dass das für viele Leute interessant ist.

Kannst Du ein Beispiel für Effektiven Altruismus dafür geben, mit denen sich interessierte Spender überzeugen lassen?

Sebastian Schwiecker: Ein Ansatz, der mich auch ganz persönlich fasziniert hat, ist das erstmal sehr unsexy klingende Thema Entwurmung, bei dem es sich im Endeffekt aber um die vermutliche beste Bildungsinvestition handelt, die es gibt.

Ein am Massachusetts Institute of Technology angesiedelte Forschungsinstitut hat die Kosteneffektivität verschiedener Maßnahmen zur Steigerung der Teilnahme am Schulunterricht von Kindern in Kenia verglichen und ist zu folgendem Ergebnis gekommen: Wenn man 100 Dollar in Stipendien für Mädchen investiert, führt dies zu 100 zusätzlichen Tagen Schulbesuch. Wenn man den gleichen Betrag für kostenlose Schuluniformen ausgibt, zieht das bereits 260 zusätzliche Unterrichtstage nach sich. Wird das Geld jedoch in schulbasierte Entwurmungsprogramme investiert, können die Kinder an mehr als 5.000 zusätzlichen Tagen zur Schule gehen. Die Wirkung pro Dollar ist also 19- bzw. 50-mal höher, je nachdem auf welche Maßnahme man setzt.

Genau in diesem Bereich ist auch die von uns empfohlene Deworm the World Initiative tätig, die es schafft, Schulkinder für weniger als einen Euro pro Jahr vor Würmern zu schützen.

Ihr bietet Interessierten auch eine kostenlose Beratung zum Spenden per E-Mail, Chat und Facebook. Welche Erfahrungen konntet ihr bislang mit diesem Angebot sammeln?

Sebastian Schwiecker: Eine Erfahrung, die wir bisher machen konnten, ist, dass sich viele Menschen schlicht nicht bewusst darüber sind, wie groß die Unterschiede zwischen einzelnen Hilfsorganisationen sein können. Auch die Tatsache, dass es durchaus möglich ist, diese miteinander zu vergleichen, ist noch relativ unbekannt. Insofern geht es bei der Beratung, aber auch bei dem Projekt insgesamt, darum, erstmal Aufklärung zu betreiben und auch aufzuzeigen, dass bisherige Ansätze oder beispielsweise auch der Verweis auf die Höhe der Verwaltungskosten von Hilfsorganisationen wenig darüber aussagen, bei wem meine Spende am besten aufgehoben ist.

Jörg Reschke
Author Jörg Reschke

Als Experte für Digitale Kommunikationsstrategien und Fundraising ist er bei der IT-Unternehmensberatung Capgemini als Business Analyst tätig und betreut im Schwerpunkt Nonprofit-Organisationen. Zuvor war er als Chief Marketing Officer bei Enscape (Real-Time Rendering und Virtual Reality für Architekten) bzw. als Chief goood Officer beim sozialen Mobilfunkanbieter goood tätig. Er gründete das Institut für Kommunikation in sozialen Medien und die Fachgruppe Digitales Fundraising im Deutschen Fundraising Verband.

3 Comments

  1. Nicolas Reis

    Kontroverses aber spannendes Thema, gerade für Daten und Fakten getriebene Menschen, und auch davon gibt es ja eine Menge.
    Mal schauen wie sich das hierzulande weiterentwickelt.
    Danke für das Interview!

  2. Avatar

    Uiuiui, heißes Eisen. Viele der Dinge sind mir völlig fremd und teilweise so dermaßen gegen meine Meinung, mein Spendenverhalten als Fundraiser als auch gegen das jahrelange Bauchgefühl in der Praxis. Aber auf alle Fälle endlich mal wieder ein Ansatz, mit dem man sich auseinandersetzen muss und der wunderbar streitbar ist. Daher Danke für den Aufschlag. Bin sehr gespannt, alles weiter zu beobachten.

  3. Andreas Berg
    Andreas Berg Reply

    Ehrlich gesagt sehe ich das Konzept des Effektiven Altruismus, dass hinter diesen Bewertungen steht sehr kritisch. Das Thema lässt sich aber nicht in einem Kommentar angemessen argumentieren.

    Ich will nur darauf hinweisen, dass man aus der Tatsache, dass noch keine deutsche NGO gelistet ist nicht in irgendeiner Form auf deren Wirksamkeit schliessen kann. Das ist vollkommen unangemessen. Andere Gründe können der Bekanntheitsgrad von GiveWell sein, oder das einige deutsche NGOs sich nicht am Modell des Effektiven Altruismus beteiligen möchten.

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