Ich werde immer mal wieder gefragt, woran man professionelles Online Fundraising erkennt. Und natürlich gibt es Hinweise wie Shopping-Listen, einfache Spendenformulare oder gut gepflegte E-Mail-Verteiler. Das wirklich wichtigste Merkmal für professionelles Online Fundraising ist für mich aber ein aktives Testen von E-Mails, Anzeigen und Website.
Warum Testen so wichtig ist!
Wer aktiv testet, verfällt weniger der Hybris alles zu wissen und die Spendenden eh schon in- und auswendig zu kennen. Wer aktiv testet weiß, dass er oder sie nicht alles weiß und ist bereit Neues zu lernen. Wer aktiv testet weiß, dass es oft Kleinigkeiten sind, die hier und da 10, 20 oder 50 % mehr rausholen. Wer aktiv testet weiß, dass es nicht einen großen Wurf gibt, sondern auch die kontinuierliche Verbesserung in kleinen und größeren Schritten.
Testen bringt Sicherheit in Entscheidungen und lässt uns nicht nur aufs Bauchgefühl verlassen. Wenn z.B. eine Vorständin X sagt und eine Expertin Y meint, gibt es mit dem Testen eine einfache Möglichkeit, die richtige Antwort zu finden. Testen ist auch eine Kur gegen das nachträgliche Schönreden einer jeden Entscheidung.
Und was ist jetzt Testen bzw. AB-Testen eigentlich? Im Grunde genommen bedeutet es einfach, eine Änderung nicht einfach vorzunehmen, sondern erst einmal einer Teilgruppe zu zeigen und die Auswirkungen zu analysieren. Wie wollen beispielsweise die Höhe der vorgeschlagenen Spendensumme anpassen. Gute Idee, aber sorgt das für mehr Einnahmen? Also testen wir es. Dabei wird im einfachsten Fall der einen Hälfte der Menschen die alte Spendensumme, der anderen Hälfte die neue, höhere Summe angezeigt. Jetzt können wir schauen, welche Variante zu mehr Spenden und zu mehr Spendeneinnahmen führt.
Was Testen im Online Fundraising?
Dieses einfache Beispiel zeigt aber schon ein Problem. Was wollen wir eigentlich testen im Online Fundraising? Am Ende wollen wir natürlich mehr Einnahmen für unsere tollen Projekte. Aber es ist durchaus möglich, dass kurzfristige Mehreinnahmen langfristigen Zielen im Weg sind. Etwa, wenn wir mit der eben angesprochenen Variante zwar mehr Spenden einnehmen, aber deutlich weniger Menschen gespendet haben.
Schauen wir uns einen Spendenprozess an, gibt es drei Stellen, an denen sich die Einnahmen steigern lassen.
- Wir können mehr Menschen erreichen,
- wir können mehr erreichte Menschen zum Spenden überzeugen und
- wir können sie davon überzeugen mehr zu spenden.
Reichweite, Conversionrate und Warenkorb. Es lohnen sich also Tests zur Reichweite wie in Anzeigen und E-Mails und zur Conversionrate und Spendenhöhe auf der Landingpage bzw. dem Spendenformular.
Dabei muss nicht eine einzelne Änderung den großen Schub bringen. Lassen sich an mehreren Stellen kleine Verbesserungen finden, kommt es zu einem ähnlichen Effekt wie wir ihn vom Zinseszins kennen. So führen fünf Verbesserungen von nur 15 Prozent zu einer Verdopplung der Einnahmen.
Beispiele für Tests
Grundsätzlich kann erst einmal alles getestet werden. Dabei sollte aber hinter jedem Test eine Theorie über das Verhalten der Zielgruppe stehen. Nur so kann auch wirklich etwas gelernt und auf andere Bereiche übertragen werden. Einfache Tests wie Buttonfarbe oder ausgewechselte Bilder lohnen sich deshalb selten. Aber vielleicht haben wir ja einen triftigen Grund dafür: “Wir wollen statt leidenden Menschen, glückliche Menschen zeigen, die unsere Hilfe erhalten haben, um den Spendern durch positive Beispiele die Besonderheit unserer Arbeit zu zeigen.” Könnte funktionieren, sollte man testen.
Ein paar klassische Bereiche für Tests:
- Betreff und Absender von E-Mails um die Öffnungsrate bzw. die absolute Klickrate zu erhöhen.
- Aufbau des E-Mailings
- Informationsmenge vor dem Call to Action
- Spendenvorschläge und ihre Höhe
- Platzierung eines Dauerspenden-Aufrufes
- Darstellung von Vertrauenssignalen wie Transparenzinitiativen, Siegel, Testimonials etc.
- Anzahl an Formularfeldern
- Einbindung unterschiedlicher Zahlungsmittel
- …
Signifikanz von Tests
Es gibt fast nichts, was man nicht testen könnte. Es gibt neben dem Aufwand nur ein Problem: Die Ergebnisse müssen auch noch signifikant sein. Wir müssen uns sicher sein, dass ein Ergebnis nicht einfach nur zufällig ist. Und jeder, der schonmal eine Glücks- oder Pechsträhne beim Würfelspiel hatte, weiß, das es viele Versuche braucht, um wirklich eine Gleichverteilung zu haben.
Grob kann man sagen, dass man mehr Versuche, in unserem Fall Besuche, braucht, je geringer der Unterschied der Varianten ist. Manchmal können wir schon nach 40-50 Spenden signifikante Ergebnisse haben, manchmal braucht es hunderte Spenden, um die Auswirkungen abschätzen zu können. Seiten mit sehr wenig Besuchen brauchen dementsprechend länger für Tests als populärere Seiten. Wer hier nicht selber Spaß an Statistik hat, findet im Internet verschiedene Rechner, welche einem das Zusammenspiel von Besuchenden, Conversions und Konfidenz der Aussage einfach aufzeigen.
Ganz konkret, wie geht das Testen denn jetzt?
Womit wir bei der letzten Frage wären. Wie geht das Testen denn jetzt? Das müssen wir ein wenig nach Medium aufschlüsseln.
Testen in E-Mails
Am einfachsten ist testen definitiv via E-Mail. Die E-Mails werden ja an einzelne Personen versandt und dementsprechend können die Verteiler einfach aufgeteilt werden. Außerdem bekommt der Test hier in kurzer Zeit viel Aufmerksamkeit und ist in der Regel recht schnell signifikant. Fast alle modernen Newsletter-Tools bieten hier eine einfache Möglichkeit mehrere Varianten des Newsletters gegeneinander laufen zu lassen. Geht es dabei nur um Öffnungs- oder Klickraten, kann die Auswertung auch gleich im Newsletter-Tool geschehen. Wollen wir aber Einnahmen messen, müssen wir eine Testvariable in unser Web-Analyse-System und/oder unser Formular übertragen. Die meisten Tools ermöglichen es dies automatisch mit Google Analytics und Co. zu machen. Allerdings bekommen wir hier natürlich nur die Daten von Menschen, die auf dem ein oder anderen Weg zu dieser Analyse eingewilligt haben.
Testen in bezahlter Werbung
Ähnlich unkompliziert wie bei E-Mails ist das Testen bei bezahlten Werbeanzeigen. Die großen Werbeplattformen wie Google Ads oder Facebook ermöglichen es einfach mehrere Varianten einer Anzeige parallel nebeneinander laufen zu lassen. Auch hier gilt, dass die Conversions an das System zurückgemeldet werden müssen oder eine Auswertung in der Webanalyse oder Spendendatenbank geschehen muss. Aber Vorsicht: Ein Test ist nur ein guter Test, wenn die Zielgruppe sich nicht unterscheidet. Unterschiedliche Anzeigen ausgespielt an unterschiedliche Zielgruppen lassen sich nicht vergleichen.
Testen auf der Website
Auf der Website muss Besuchenden abwechselnd eine andere Variante der Website ausgespielt werden. Hier gibt es grob zwei Möglichkeiten dies zu tun.
Die einfachste Variante ist Tools wie Google Optimize, Optimizely oder Visual Website Optimizer zu nutzen. Diese ermöglichen es einem, ohne das Content-Management-System (CMS) Teile bestehender Websites zu ändern und anzuzeigen. Großer Vorteil dieser Variante ist, dass sie gleich mit Analyse kommt und dementsprechend einfach umzusetzen ist. Nachteil ist jedoch, dass diese Tools in der Regel ein Cookie-Opt-in brauchen, also nur mit einem Teil der Website-Besuche funktioniert. Gerade bei kleineren Seiten bedeutet das, dass Tests deutlich länger dauern, bis sie zu signifikanten Ergebnissen führen.
Alternativ gibt es die Möglichkeit direkt im CMS mithilfe von Plugins unterschiedliche Varianten auszuspielen. Diese “dummen” AB-Tests machen oft Schwierigkeiten bei der Auswertung, sind aber dafür datenschutztechnisch unproblematisch.
Fazit
Testen, testen, testen und an die Leser:innen denken! Der erste Test ist immer der schwerste, hat man aber alle technischen Hindernisse überwunden steht einer kontinuierlichen Optimierung der eigenen Seite nichts mehr im Weg. Dazu gehört aber auch, die Tests am Ende ordentlich auszuwerten und zu dokumentieren. Es wäre ja schade so schöne Erkenntnisse gewonnen zu haben, aber sie nicht auf die Arbeit der Organisation zu übertragen.
Apropos Übertragung: Schaut nach links und rechts, was andere Organisationen machen. Vielleicht gibt es ja auch hier etwas zu lernen. Allerdings nicht, in dem etwas von großen Organisationen einfach übertragen wird, sondern als Basis für einen eigenen Test. Denn ohne Test wisst ihr nie, ob es wirklich funktioniert!