Digitalisierung

Künstliche Intelligenz für NGOs? Aber bitte richtig!

Die Möglichkeiten des Einsatzes von KI im Fundraising sind vielfältig. Klar, es ist effizient, Algorithmen zu verwenden, um potenzielle Spender zu identifizieren und personalisierte Werbekampagnen zu erstellen. Die Datenanalyse von blinden Flecken, die Erstellung von Bild-Inhalten, Produktion von Videos, Grafiken und vielen mehr sind Einsatzzwecke, die naheliegend sind. Aber soll das schon alles sein?

Die Hürden sind niedrig

Ein Einstieg in die Arbeit mit künstlicher Intelligenz ist spätestens seit dem medialen Hype um ChatGPT einfacher denn je. Mit dem Sprachverarbeitungsmodell sind eigenes Programmieren oder Anlernen der Algorithmen mit eigenen Daten keine Einstiegshürden mehr. Heute reicht es, sich einen Gratis-Account bei einem der zahlreichen Dienste anzulegen und auszuprobieren. Häufig werden erst für die Nutzung von Sonderfunktionen oder in größerem Umfang Kosten fällig.

In Interviews wurde ich in den vergangenen Wochen mehrfach gefragt, warum so wenige NGOs bisher KI einsetzen. Die Antwort darauf ist leider einfach: In der Regel fehlen freie Kapazitäten und der Mut, sich mit dieser Technologie experimentell auseinanderzusetzen. Mehr braucht es für den ersten Einstieg tatsächlich nicht: Nur ein wenig Zeit, Inspiration und die Lust verschiedene Instrumente auszuprobieren.

Viele Einsatzmöglichkeiten im Fundraising

An Möglichkeiten für den Einsatz von KI mangelt es im Fundraising nicht. Jona schreit hier im Blog etwas zu Chancen und Risiken von KI im Fundraising und Thomas Jahnke beschreibt den Mehrwert von generativer KI für das Fundraising.

Meine fünf liebsten Einsatzzwecke für KI im Fundraising sind:

  • Umfangreiche Personalisierung der Spenderkommunikation
  • Spenderprognose für Kampagnen und Mailings
  • Erweiterte Datenanalyse für Abbrecher-Prognosen
  • Sentiment-Analyse zur Einschätzung der erstellten Inhalte vor dem Kampagnenstart
  • Automatisierte Chatbots für den Spenderservice außerhalb der Geschäftszeiten

An weiteren Einsatzzwecken mangelt es nicht (Inspiration 1, Inspiration 2). Und ganz ehrlich: Eigentlich warten wir ja nur darauf, dass die erste erfolgreiche Kampagne öffentlich wird, die vollständig von und mit KI erstellt und durchgeführt wurde. Oder?

Nicht zum Selbstzweck einsetzen

Das Wichtigste ist, dass KI nicht bloß zum Selbstzweck eingesetzt wird. Was nützt eine mit KI beantwortete Fragestellung, wenn die Frage nicht die richtige ist? Was nützt ein digitalisierter Prozess, wenn er weder vorher noch nachher spenderzentriert durchdacht ist?

Digitalisierung und insbesondere der Einsatz künstlicher Intelligenz taugen nicht als Selbstzweck. Es mag ein opportuner PR-Stunt sein, mit dem man die eigene Organisation als modern und innovativ darstellt. Eine nachhaltige Imagesteigerung sollte man davon allerdings nicht erwarten.

Wer es ernst meint, braucht mehr: eine Arbeits- und Fehlerkultur, eine hypothesen-basierte Herangehensweise und den Freiraum Experimente durchzuführen. Und ganz so einfach geht es dann doch nicht: Beispielsweise sobald eigene Daten ins Spiel kommen, müssen die Themen Datenschutz und Datensicherheit vorab geklärt werden.

Jetzt die Perspektive wechseln

Die bisherige Diskussion zum Einsatz Künstlicher Intelligenz in NGOs fokussiert sich primär auf generative KI, Content-Erstellung und Analysen. Das ist sehr verkürzt und wird der Tragweite der Technologie nicht gerecht.

Nonprofit-Organisationen tun sich einen Bärendienst, wenn sie über Künstliche Intelligenz nur im Zusammenhang mit Fundraising nachdenken. Warum nutzen sie KI nicht stärker, um die wahren Herausforderungen anzugehen, für die sie gegründet wurden?

Ein paar Ideen und Beispiele liegen auf der Hand:

Artenschutz: Erkennung und Tracking gefährdeter Arten
Beratung: Texterkennung in Chats zu sensiblen Themen
Gesundheit: Beschleunigung der Forschung beispielsweise zur Flussblindheit
Humanitäre Krisen: Lebensmittelverteilung in Konflikt- und Katastrophengebiete Katastrophenschutz: Koordination von Hilfskräften im Katastrophenfall
Umweltschutz: Umweltverschmutzung mithilfe von Drohnenaufnahmen erkennen

Diese Beispiele zeigen, dass es ein Fehler ist über Künstliche Intelligenz nur im Kontext von Effizienzsteigerung zu sprechen. Der richtige Einsatz von KI ermöglicht uns die Wirkung von Maßnahmen zu optimieren und die originären Ziele der Organisation besser zu erreichen.

Welche Praxisbeispiele kennt ihr, in denen es Nonprofit-Organisationen gelingt Künstliche Intelligenz für ihre Mission einzusetzen und einen Unterschied zu machen?

Fazit

Es ist an der Zeit, dass wir Denkweise und die Richtung der Diskussion verändern. Die Welt steht vor so vielen drängenden Problemen und Künstliche Intelligenz kann ein hilfreiches Werkzeug sein, um die eigentlichen Herausforderungen anzugehen. Es ist höchste Zeit, dass Organisationen aufhören, sich nur auf die Effizienzsteigerung zu konzentrieren, und stattdessen die wahren Potenziale von Künstliche Intelligenz für eine bessere Welt nutzen

Jörg Reschke
Author Jörg Reschke

Als Experte für Digitale Kommunikationsstrategien und Fundraising ist er bei der IT-Unternehmensberatung Capgemini als Business Analyst tätig und betreut im Schwerpunkt Nonprofit-Organisationen. Zuvor war er als Chief Marketing Officer bei Enscape (Real-Time Rendering und Virtual Reality für Architekten) bzw. als Chief goood Officer beim sozialen Mobilfunkanbieter goood tätig. Er gründete das Institut für Kommunikation in sozialen Medien und die Fachgruppe Digitales Fundraising im Deutschen Fundraising Verband.

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