Die Fußgängerzone ist das Terrain des Face-to-Face-Fundraisings. Manche Stände werden von externen Agenturen betreut und andere inhouse von Hauptamtlichen oder Ehrenamtlichen. Jirka Wirth, Fundraisingleiter bei Ärzte ohne Grenzen, hat im September für eine Woche den Schreibtisch gegen die Begleitung eines F2F-Teams eingetauscht. Im Interview berichtet er über seine Erfahrungen im Face-to-Face-Fundraising.
Als Leiter des Fundraisings bei Ärzte ohne Grenzen verbringst Du viel Zeit in der Geschäftsstelle. Wie entstand die Idee das Face-to-Face-Fundraising-Team eine Woche lang zu begleiten?
Die Idee existierte schon länger. Mindestens ein Jahr. Jedoch sprachen immer wieder terminliche Gründe dagegen, da ich auch viel zeit außerhalb der Geschäftsstelle verbringe. Mein Selbstverständnis als Fundraisingleiter beinhaltet u.a. die Dinge, die wir tun, gut zu verstehen und nachvollziehen zu können. Daher übernehme ich beispielsweise regelmäßig die Moderation bei Spenderveranstaltungen, schreibe Artikel für unsere Spender oder bin in Peakzeiten auch am Spenderhotline-Telefon. Die F2F-Erfahrung fehlte da noch und am Ende war eine Wette der finale Impuls.
Was war Dir wichtig bei der Umsetzung des Face-to-Face-Fundraisings?
Ärzte ohne Grenzen ist die Umsetzung eines qualititativ hochwertigen F2F inhouse Fundraising sehr wichtig. Das setzen wir täglich auf der Straße um und wollen auch andere davon überzeugen. Daher waren wir auch Teil der QISH (Qualitätsinitiative Strassen- und Haustürwerbung), als sie noch auf Arbeitsgruppenniveau verbindliche Qualitätsstandards für ihre zukünftigen Mitglieder entwickelt hat.
Bei der Gründung haben wir dann gefehlt, da aus unserer Sicht unter anderem zwingend notwendige Prüf- und Sanktionsmechanismen noch nicht entwickelt und geprüft waren. Diese Qualitätskriterien wollte ich selber auf der Straße erleben – als ganz normaler Neukampagner in einem ganz regulären Team. Das hat auch sehr gut geklappt, auch wenn ich quasi von allen der Papa hätte sein können ;o)
Verwendet ihr Papier oder Tablet – und warum?
Seit diesem Jahr nutzen wir ausschließlich Tablet – Papier nur als absolute Notfallvariante, wenn die Technik komplett ausfällt. Tablets sind state of the art, vor allem für Spender. Will heißen, sie werden als Eingabegerät fast uneingeschränkt akzeptiert. Darüber hinaus sind sie hoch effizient was die Datenerfassung angeht (autofill PLZ/Ort, Prüfroutinen IBAN, Lesbarkeit, keine kreativen Randbemerkungen am Rand des Papierformulars – um nur einige zu nennen) und profitabel, da sie eine unverzügliche Umsetzung der Lastschrift und der elektronischen Bedankung ermöglichen. Darüber hinaus gibt es sehr viele weitere Vorteile, die aber einen separaten Frageblock füllen würden.
Was war Dein schönstes Erlebnis während der Woche?
Die ganze Woche war mein schönstes Erlebnis – die Intensität, die Hochs und Tiefs, das Team und der Support – gutes Wetter und unheimlich viele tolle Begegnungen.
Auf welche F2F-Erfahrung hättest Du in der Woche gut verzichten können?
Auf keine einzige. Ehrlich. Selbst der schreckliche Freitag (als ich fast genullt hätte) war im nachhinein betrachtet mein wertvollster Tag.
Wie stellst Du den Transfer Deiner F2F-Erfahrungen in den Fundraising-Alltag bei Ärzte ohne Grenzen sicher?
Das muss ich nicht. Ich habe unheimlich erfahrene und motivierte MitarbeiterInnen, die diesen Bereich betreuen. Ich denke aber, dass es ein sehr positives Signal in das Gesamtteam war, dass ich mich dieser Herausforderung gestellt habe. Und bei unserem jährlichen Kampagnertreffen, an dem ich schon bisher immer teilgenommen habe, werde ich nun als “echter” Kampagner teilnehmen können. Das fühlt sich einfach gut an. Gern möchte ich aber in der Fundraisingszene weiter (und jetzt mit eigener Erfahrung) die Werbetrommel für gut gemachte inhouse Strassenwerbung rühren!
Vielen Dank für das Interview.