Die Corona-Krise hat von Organisationen schnelle Anpassungen gefordert, sie mussten abrupt in einen Krisenmodus schalten. Manche sind an schnelle Veränderungen gewöhnt, für andere ist dies ein schwerer Einschnitt. Ein Alltags-Empfinden stellt sich nur langsam ein.
Wie erreicht man in solch einer Situation Handlungsfähigkeit? Was sind die Aktions-Stufen in der Krise? Unser Denkmodell „Fundraising in der Krise“ zeigt einen Ansatz und beschreibt den Weg vom Agieren zum Reagieren. Dabei gibt es keine Bewertung von schlechter oder besser. Alle Schritte haben ihre Berechtigung.
1. Reagieren und für die Menschen sorgen
Es werden zunächst alle Ressourcen dafür gebraucht, zu reagieren und um Sicherheit zu gewährleisten – sowohl für die Menschen (Kund*innen, Patient*innen, etc.), für die Sie da sind, als auch die Mitarbeiter*innen, für die Sie Verantwortung haben. Begleitet wird diese Phase der Reaktion von Unsicherheiten, täglich veränderten Informationen, immer neuen Zukunftsszenarien, wie es weitergeht und was noch alles passieren kann. Projekte werden (temporär oder dauerhaft) auf Eis gelegt, Mitarbeiter*innen für andere Tätigkeiten eingesetzt.
2. Sicherheiten schaffen
Diese erste Phase führt zu neuen Abläufen oder Team-Settings (z.B. Homeoffice oder neue Aufgabengebiete), in die sich die jeweiligen Personen einfinden. Es findet zeitgleich auch ein Abschied statt von Projekten oder gewohnten Realitäten. Diese Phase sollte gut begleitet werden, damit die Menschen in den neuen Realitäten ankommen können. Dies ist eine Führungsaufgabe, mit der ein Gefühl neuer Sicherheit geschaffen wird. Nur mit diesem Gefühl entsteht ein innerer Freiraum, der Raum für neue Ideen lässt.
In dieser Phase ist auch eine Kommunikation mit den Spender*innen wichtig, die durch die Veränderungen ebenfalls verunsichert sind. Sie fragen sich, was mit den Projekten passiert, die sie unterstützen und wie die Organisation mit den Herausforderungen umgeht. In der Corona-Krise haben die Spender*innen bislang eine große Treue zu “ihren” Organisationen geziegt und meist positiv auf Nachrichten oder Spendenaufrufe reagiert. Die Spende ist für sie eine Möglichkeit aktiv zu werden und dieses Gefühl von Wirksamkeit ist eine wichtige Motivation zu geben.
3. Es ist alles getan – was geht noch?
Sobald das Gefühl erreicht ist, dass alles getan ist, was möglich und nötig war, kann nun eine Phase eintreten, in der die Situation neu bewertet wird: welche aktuellen Herausforderungen in der Gesellschaft werden gesehen? Welche Fähigkeiten können ad hoc aktiviert werden? In welcher Idee steckt Zukunftsmusik? Wie können wir in eine neue Kommunikation auch mit unseren Spender*innen kommen?
Zeiten des disruptiven Wandels legen Themen frei, die für die Gesellschaft relevant sind. Für Organisationen liegt hier die Chance, sich neue Handlungsfelder zu erschließen und neue Kooperationen einzugehen.
In Krisen werden immer auch Kräfte frei, die in Organisationen zu positiven Energien führen. Diese positive Energie beflügelt, gibt Anstrengungen einen Sinn, überwindet die Angst, macht Mut und bereitet – neben den nötigen Schritten – einen Weg in die Zukunft nach der Krise vor.
4. Innovationen möglich machen
Es können innovative Konzepte, Strategien und Ideen entstehen, die den Bereich Fundraising, aber auch die Organisationsentwicklung, Personalentwicklung und Öffentlichkeitsarbeit betreffen. Diese können sowohl aus der Führungsetage kommen als auch von den Mitarbeiter*innen oder vom Ehrenamt, von Klient*innen, Angehörigen und Spender*innen. Die Umsetzung dieser neuen Konzepte wird sich in und nach der Krise positiv auf alle Bereiche der Organisation / des Sozialunternehmens auswirken. Auch auf das Fundraising. Wir haben gesehen, wie schnell z.B. plötzlich Türen für die Digitalisierung aufgehen und auch manche Hierarchie-Ebene wurde ausgesetzt, um die Mitarbeiter*innen schneller agieren zu lassen. Hier spielt ein neues Verständnis von Führung eine große Rolle, das Freiräume öffnet.
Damit lassen sich Menschen neu erreichen, die vielleicht bislang nicht durch Spendenaufrufe reagiert haben. Organisationen, die auf die neuen sozialen Bedarfe reagieren, positionieren sich damit auch für neue Spendergruppen.
Eine solche Phase der Kreativität ist der aktive Start in eine sich verändernde Zukunft. Mit Krisen wie der aktuellen trainieren Organisationen ihre Fähigkeit zur Veränderung. In einer Welt, die sich immer schneller wandelt liegt hierin wohl die größte Chance. Denn je mehr wir lernen, dass es keine absoluten Sicherheiten gibt und die Veränderung nicht nur als Bedrohung begreifen, desto schneller sind wir in der Lage, innovative Kräfte freizusetzen. Dafür braucht es Strukturen, die Neues zulassen und Führungskräfte, die diese Entwicklungen führen können. Ich wünsche allen Organisationen, die derzeit vor diese Herausforderungen gestellt sind, viel Kraft und den Mut, Dinge einfach mal zu machen.