Interviews

Andreas Berg, selbstständiger Fundraiser

Andreas Berg
Andreas Berg: “Schwieriges einfach machen.”

Heute sagt uns Andreas Berg, wie er zum Fundraising gekommen ist. Durch seine langjährige Erfahrung auf NGO- und Agenturseite machte sich Andreas Berg im Jahr 2012 selbstständig und berät und analysiert seit dem gemeinnützige Organisationen.

Andreas, wie bist Du zum Fundraising gekommen?

Ich habe Sozialwissenschaften und Mathematik studiert. Nach dem Studium wollte ich eigentlich an der Uni bleiben und zum Thema Wirtschaftskriminalität forschen. Leider wurde daraus nichts. Auf der Suche nach eine Alternative verspürte ich keine große Lust dazu beizutragen, dass jemand mehr Schuhe, Handy-Verträge oder sonst was verkauft. Ich war damals schon bei mehreren NGOs ehrenamtlich tätig und finde den dritten Sektor bis heute unglaublich spannend. Wenn ich gut arbeite verdient nicht irgendein Aktionär oder Gesellschafter mehr Geld, sondern jemand kann mehr Gutes tun, als er ohne mich könnte.

Was war Dein größter Fundraisingerfolg und warum war er erfolgreich?

Ein größere Organisation wollte ein neues Konzept für ein Neuspender-Mailing umsetzten. Ich sollte als Berater sagen wie groß die Auflage sein sollte und wie sie auf die „neuen“ und die „alten“ Varianten verteilt wird. Nach einigen schlaflosen Nächten habe ich die größte Auflage empfohlen, die diese Organisation jemals gemacht hat und das vor allem bei den neuen Varianten. Das Mailing wurde ein voller Erfolg, meine Prognose und Empfehlung war vollkommen richtig gewesen. Dabei hatte ich auf den ersten Blick eigentlich eine viel defensivere Empfehlung abgeben wollen. Der zweite und dritte Blick belehrte mich eines Besseren. Es reichte in dem Fall nicht einfach die Statistiken der Testmailings nachzuvollziehen. Jede einzelne Adressgruppe musste für sich analysiert und bewertet werden. Wenn man erst mal alles zerlegt und wieder zusammengesetzt hat ergibt sich ein völlig neues Bild.

Aus welchem Misserfolg hast Du am meisten gelernt?

Ich hatte gerade neu bei einer Organisation angefangen und sollte ein Mailing an Firmen machen. Dabei ging es um eine „Spenden statt Geschenke“-Aktion. Ich habe mich sofort in die Arbeit gestürzt und nach (beinahe) allen Regeln der Kunst ein Mailing auf die Beine gestellt. Wir haben nicht eine einzige Spende auf dieses Mailing bekommen. Selbst eine noch eilig initiierte Nachfassaktion per Telefon brachte nichts ein. Nicht, dass unser Mailing schlecht gewesen wäre. Es war einfach das falsche Instrument zum falschen Zeitpunkt. Mein Fehler war, dass ich einfach losgelegt habe. Es war einer der ersten Aufträge der Bereichsleiterin für mich und ich wollte natürlich meine Tatkraft zeigen. Besser wäre gewesen innezuhalten und darüber nachzudenken, ob die Aktion wirklich sinnvoll ist.

Was würdest Du Fundraising-Einsteigern empfehlen?

Gerade Einsteiger sollten misstrauisch bei Fundraising-Mythen und allgemeinen Regeln sein. Oft haben die einen wahren Kern, aber der muss nicht für jede Organisation und schon gar nicht in jeder Situation gelten. Z. B. „Online Fundraising bringt kein Geld.“ Stimmt oft, aber erzählen Sie das mal Campact, die Online in vier Jahren 9.000 Förderer gewonnen haben. „Der Süden spendet besser als der Norden.“ Stimmt, wenn man grob nach Bundesländern auswertet. Aber welche Bedeutung soll das z.B. für die Seemannsmission haben? „Frauen spenden besser als Männer.“ Das trifft auf etwa ein Drittel der Organisationen für die ich bisher analysiert habe nicht zu. Ich kenne sogar eine, deren Hauptproblem in der Neuspendergewinnung der hohe Frauenanteil war. Das mag zwar eine Ausnahme sein. Aber wer sagt Ihnen, dass Sie nicht gerade die Ausnahme sind?
Immer wenn ein Satz mit den Worten: „Wie wir alle wissen…“ beginnt, sollten Sie hellhörig werden und genau prüfen ob das für Sie auch zutrifft. Im Zweifel immer testen.

Maik Meid
Author Maik Meid

Ruhrgebietskind. Jg. 1976, lebt in Hattingen, freiberuflicher Fundraising-Manager (FA). Seit >20 Jahren für Nonprofits tätig. Unterstützer für Fundraising und digitale Kommunikation, Foto- und Videograf. Studienleiter an der Fundraising Akademie. Begleitet Nonprofits durch den digitalen Dschungel. Macht das Fundraising Radio und mag Generative KI.

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