Gute Praxis

Praxis-Interview: Online-Volunteering in Deutschland

Praxis-Interview mit Hannes Jähnert, Akademie für Ehrenamtlichkeit Deutschland:

Hannes Jähnert ist Diplom-Sozialpädagoge und ausgebildeter Freiwilligenmanager. Er schließt derzeit seinen Master of Arts im Bereich Bildungswissenschaft – Organisation und Beratung an der TU-Berlin ab. Seit über drei Jahren beschäftigt er sich in seinem Weblog regelmäßig mit den Schwerpunktthemen Interneteinsatz in der Freiwilligenarbeit, freiwilliges Online-Engagement, Zivilgesellschaft in Zeiten von Social Media und sozialer Geschlechtlichkeit.

Wie unterscheidet sich Online-Volunteering von klassischem Ehrenamt?

Das freiwillige Engagement über das Internet ist im Grunde  keine anderes als die an einem vorgegebenen Einsatzort und dementsprechend auch nichts für Menschen, die generell keine Zeit haben. Freiwilliges Engagement aber auch über das Internet möglich zu machen, kann Interessierten, die auf flexible Engagements angewiesen sind, Teilhabe ermöglichen. Das Schlagwort heißt hier „Empowerment“ – meines Erachtens die hauptsächliche Aufgabe zivilgesellschaftlicher Organisationen.

Warum hat sich Online-Volunteering in Deutschland noch nicht durchgesetzt?

Ich würde nicht sagen, dass sich das Online-Volunteering in Deutschland noch überhaupt nicht durchgesetzt hat. Vieles, was in kleineren Vereinen und Initiativen zum täglichen Geschäft gehört, würde ich durchaus als Online-Volunteering bezeichnen. Vor allem im eher informellen Engagement – meint, außerhalb traditioneller Freiwilligenorganisationen – wird das Internet häufig zur internen Arbeitsorganisation, zur Erstellung von Materialien oder für Beratung und Mentoring eingesetzt. Beispiele für freiwilliges Online-Engagement lassen sich auch im deutschsprachigen Europa finden – mithin auch in größeren Organisationen, nur muss man hier etwas länger suchen. Warum das so ist, kann ich nicht pauschal sagen. Ich vermute aber, dass das Empowerment zu zivilgesellschaftlicher Teilhabe leider häufig dort seine Grenzen findet, wo es marktwirtschaftlichen Nützlichkeitsabwägungen auf den ersten Blick nicht Stand hält.

Was braucht es um Online-Volunteering erfolgreich einzusetzen?

Um das freiwillige Engagement auch über das Internet möglich zu machen, braucht es ein funktionierendes Freiwilligen-Management und eine entsprechend entwickelte Organisation. Das betrifft zu aller erst die konkrete Entscheidung der Führungsetage, Freiwillige überhaupt in den Leistungserstellungsprozess der Organisation involvieren zu wollen. Für freiwilliges Online-Engagement braucht es außerdem konkret beschriebene, zeitlich klar abgegrenzte Aufgaben sowie verantwortliche Ansprechpartnerinnen und -partner, die mit den Mitteln und Möglichkeiten des heutigen Internets umgehen können, und nicht zuletzt braucht das Online-Volunteering eine organisationsweite Anerkennungskultur für freiwilliges Engagement, die bei allen Mitarbeitenden in Fleisch und Blut übergegangen ist. Ganz kurz gesagt: Es braucht die grundsätzliche Bereitschaft, Interessierten die engagierte Teilhabe zu ermöglichen, was natürlich auch die Bereitschaft anbelangt, Geld dafür in die Hand zu nehmen.

Welche Herausforderungen birgt Online-Volunteering für die Nonprofit-Organisationen?

Neben dem ‚virtuosen‘ Einsatz der vielen neuen Möglichkeiten, die das Social Web bietet, halte ich das Verständnis von Engagementförderung als Empowerment derzeit für die größte Herausforderung. Das Bild von den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die einfach immer schon mitgemacht haben, ist in unseren Köpfen – nicht nur in denen der NPO-Mitarbeitenden – tief verwurzelt. Der Paradigmenwechsel, weg von der ausschließlich „helfenden Hand“ hin zur „mitgestaltenden Kraft“ freiwillig Engagierter, ist meines Erachtens der kritische Punkt für erfolgreiche, wiederholbare und schließlich auch skalierbare Online-Engagement-PRaogramme. Herausfordernd ist vor allem, mit sporadischem und projektbezogenem Online-Engagement echten Mehrwert für beide Seiten zu schaffen.

Gibt es besonders gelungene Beispiele von Online-Volunteering deutscher Nonprofit-Organisationen?

Wie gesagt, es gibt in Deutschland viele kleine Vereine und Initiativen, bei denen das Online-Volunteering ein integraler Bestandteil der Zusammenarbeit ist. Zwar ist der Interneteinsatz hier häufig eher ‚wild‘ gewachsen, doch können sich NPOs, die freiwilliges Engagement auch über das Internet möglich machen wollen, hier viel für ihren strategischen Social Media-Einsatz abschauen. Beim jüngsten Buchprojekt der Akademie für Ehrenamtlichkeit Deutschland zum Management von Online-Volunteers haben wir das so gemacht und gemerkt, dass Sparsamkeit für das Online-Volunteering ein gängiger Weg ist: Allein über E-Mails und eine gemeinsame Dropbox haben wir Materialien ausgetauscht, via Skype, Twitter und Facebook updateten wir uns nur gelegentlich.

Mit ZiviCloud startest Du ein Online-Instrument für Online-Volunteering. Was können Non-Profit-Organisationen davon erwarten und wie könnnen sie mitmachen?

Mit der ZiviCloud will ich das Thema Online- und Micro-Volunteering im deutschsprachigen Europa voranbringen. Dafür bemühe ich mich derzeit darum, ein sehr einfach zu nutzendes Open Source Tool ins Netz zu bringen, mit dessen Hilfe Nonprofits in ihren Communitys für zeitlich klar abgegrenzte Volunteer Tasks werben können. Zur Zeit suche ich für diese doch speziell technische Aufgabe engagierte Unterstützung. In der dann anschließenden ersten Phase des ZiviCloud-Projektes wird es dann darum gehen, Erfahrungen mit dem Online- und Micro-Volunteering im deutschsprachigen Europa zu sammeln, um besondere – heißt: kulturspezifische – Herausforderungen beim Management von Online-Volunteers auszumachen. In dieser offenen BETA-Phase können und sollen sich natürlich so viele Organisationen, Initiativen und Vereinigungen wie möglich am Online- und Micro-Volunteering versuchen und gemeinsam Erfahrungen sammeln. In der zweiten Phase wird es dann darum gehen, die ZiviCloud weiter zu entwickeln und als Teil der Infrastruktur zur Förderung neuer Wege des freiwilligen Engagements auf tragfähige Beine zu stellen.

Erfahren Sie mehr über das Projekt Zivi-Cloud im Blog von Hannes Jähnert.

 

Jörg Reschke
Author Jörg Reschke

Als Experte für Digitale Kommunikationsstrategien und Fundraising ist er bei der IT-Unternehmensberatung Capgemini als Business Analyst tätig und betreut im Schwerpunkt Nonprofit-Organisationen. Zuvor war er als Chief Marketing Officer bei Enscape (Real-Time Rendering und Virtual Reality für Architekten) bzw. als Chief goood Officer beim sozialen Mobilfunkanbieter goood tätig. Er gründete das Institut für Kommunikation in sozialen Medien und die Fachgruppe Digitales Fundraising im Deutschen Fundraising Verband.

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