Diskussionen

Nachhaltiges Fundraising – eine Annäherung

Nachhaltigkeit – das ist einer der Begriffe, die so häufig verwendet und dennoch so unterschiedlich interpretiert werden. Je nach Wirtschafts- und Politikbereich haben sich verschiedene Ansätze entwickelt. Manche sprechen von Ressourcenschonung oder Kundenbindung und andere von Dauerhaftigket, Generationengerechtigkeit und Wachstum.

Neben dem Verständnis von Nachhaltigkeit ist insbesondere dessen Operationalisierbarkeit umstritten. Wie erreicht und misst man Nachhaltigkeit? Welche Bereiche werden priorisiert?

Und im Fundraising? Wenngleich mehr als sieben hundert Personen der Facebook-Gruppe “Nachhaltiges Fundraising” angehören – ein einheitliches Verständnis von diesem Begriff kann man dem nicht zugrunde legen.

Wir begeben uns auf eine Expedition und haben Fundraiser gefragt, was für sie Nachhaltigkeit im Fundraising ausmacht:

Jona Hölderle

Nachhaltigkeit im Fundraising bedeutet für mich, dass Spender und potentielle Spender zufrieden sind und weiterhin ein Interesse an einer “Beziehung” mit der Organisation haben. Eine Fundraising-Maßnahme, welche dem Image der Organisation schadet, aber kurzfristig monetäre Erfolge erzielt ist damit nicht nachhaltig, gleichzeitig ist die Nachhaltigkeit leider deutlich schwerer zu messen als der kurzfristige monetäre Erfolg

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Andreas Berg

Viele achten zu sehr auf Effizienz und Nettooptimierung und halten dadurch die Zielfelder des Fundraising nicht im Gleichgewicht. Neuspendergewinnung, Upgrading, Spenderbindung und Reaktivierung sind genauso wichtig. Wen wir den ROI zu stark ins Zentrum rücken führt das zu kurzfristiger Denkweise. Und kurzfristiger Erfolg ist langfristiger Selbstmord. Konkret führt das zu Fragen wie z. B.: – Muss jeder Dankbrief eine Spendenbitte haben, oder schadet das unserem Ziel der Spenderbindung? – Verzichten wir in einem Mailing auf Einzelspenden um mehr Dauerspender zu gewinnen? – Lassen wir ein niedrigeres Jahresergebnis zu, um mehr Neuspender zu gewinnen? – Bleiben wir mit inaktiven Spendern in Kontakt, auch wenn das erstmal den ROI senkt?Ein Patentrezept oder allgemeingültige Antworten gibt es dazu nicht. Wir kommen nur zu nachhaltigem Fundraising wenn wir uns die Fragen stellen und sie ausgewogen beantworten.

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Susanne Reuter

Der Duden sagt, dass der Begriff eine längere Zeit anhaltende Wirkung meint. Ökologisch betrachtet, sei Nachhaltigkeit ein Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren, künftig wieder bereitgestellt werden kann. Was heißt das auf Fundraising übertragen? Es geht hierbei immer um die Ressourcen auf allen beteiligten Seiten. In meinen Augen sind damit sowohl die materiellen als auch die immateriellen gemeint, vor allem aber die handelnden Menschen. So ist Fundraising niemals allein deshalb nachhaltig, weil es – über eine gewisse Zeit hinweg – viel Geld einbringt. Und auch die reine Betrachtung des Verhältnisses von Aufwand und Ertrag belegt oder widerlegt noch nicht die Nachhaltigkeit.

Lass uns doch mal auf das Gegenteil schauen. Hier gibt es eine Fülle von beschreibenden Adjektiven: einmalig, flüchtig, effektlos, diskontinuierlich, episodisch, vergänglich, unbeständig, kurzlebig, improvisiert, inkonsistent, behelfsmäßig, vorübergehend, provisorisch, kurzfristig, unberechenbar, unstet, instabil – und es fielen uns sicherlich noch mehr Worte ein. Aus Sicht des Systemischen Fundraising sind damit die internen Zustände der fundraisenden Organisation angesprochen. Es geht dabei vor allem um eine wesentliche Bedingung für Nachhaltigkeit: Die „institutional readiness“, d. h. um den Kompetenzaufbau und die Herstellung des „involvements“ bei allen Beteiligten in der Organisation. Die Implementierung und handwerkliche Umsetzung von Fundraising erfordert, dass sich eine Organisation im Zweifel ganz neu denkt und auch neu handelt. Fundraising kann in unseren Augen dann nachhaltig werden/sein, wenn sie sich tatsächlich als Ganzes entschließt, Fundraising wirklich zu wollen – und dann ihre Strukturen an dieses Ziel anpasst. Das funktioniert nicht allein mit einer Management-Entscheidung (z. B. einen ausgebildeten Fundraiser einzustellen, eine FR-Abteilung zu gründen oder ein strategisches Fundraising-Konzept einzufordern), sondern hier muss sich die gesamte Struktur authentisch und von innen heraus in Richtung der Fundraising-Zielsetzung verändern – also kommt es auf die Menschen an.

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Kai Fischer

Nachhaltigkeit im Fundraising ist für mich, wenn langfristige Beziehungen aufgebaut werden, wenn Förderer gern eine lange Wegstrecke mit der jeweiligen Organisation gehen und mit ihr zusammen Ziele erreichen, Wirkungen erzielen und die Mission umsetzen. Zur Nachhaltigkeit gehört auch, dass Empfänger von Leistungen nicht instrumentalisiert und in Opfer-Rollen inszeniert werden.
Einfacher ist das Gegenteil, zu sagen, was nicht nachhaltig ist:

  • Wenn auf der Geldbetrag im Zentrum steht
  • Wenn psychische Mechanismen genutzt werden, um Spenden zu erhalten
  • Wenn Förderer das Gefühl haben, manipuliert zu werden
  • Wenn Spenden mit sozialer Über- und Unterordnung einhergeht
Katja Prescher

Nachhaltiges Fundraising ist für mich strategisches Fundraising. Die stategische Herangehensweise ist essenziell, damit wir wissen als auch verstehen, was wir tun bevor wir es tun. Online-und Mobile-Fundraising gelten zwar als kurzfristige Fundraising-Instrumente, allen voran das E-Mail-Marketing. Dies spitzt sich bei Emergency-Fundraising zu. Denn es geht hier um kurzfristige Spendeneinnahmen, die über schnell einsetzbare Online-Fundraising-Tools möglich werden. Besonders hier ist das strategische Vorgehen mit bewusster, gesteuerter Planung und Umsetzung von Maßnahmen signifikant. Vor allem müssen frühzeitig auch interne Organisationsprozesse/-abläufe und die Kommunikation nach aussen klar sein, um schnell reagieren zu können aber auch nachhaltig den Spenderdialog zu gestalten.

Die Spendenmotivation nimmt deutlich zu, sobald die Medien länger über das Ausmass der Katastrophe berichten und die Spendennotwendigkeit aufzeigen. Katastrophenhilfespender möchten ihrem Wunsch zu helfen schnell nachgehen und bewirken neue Einnahmerekorde, die über Spendenformulare online wie auch mobile (mobile: Seiten, Apps, SMS) eingehen. Neben positiven Medienberichten gibt es, wie wir wissen, auch immer kritische Stimmen, auf die hunderte Leser reagieren können, wie das 20-Minuten-Beispiel zeigt. Diese Berichterstattungen und das wertvolle Leserfeedback gilt es aufzunehmen und zu dokumentieren. In der künftigen strategischen Planung haben auch sensible Themen ihren Platz, die in der Umsetzung entsprechend zu berücksichtigen sind, um den Beziehungsaufbau nachhaltig (vertrauensvoll) zu fördern.

Maik Meid

Aus meiner Sicht ist der wichtigste Punkt aus Sicht der Nachhaltigkeit das Dokumentieren und somit das Sammeln und Archivieren von Wissen innerhalb einer Organisation. Das betrifft zum einen den Aufbau eines, wenn auch gerne sehr schmalen Qualitätsmanagementsystems, die Dokumentation von Ablaufprozessen, die Definition von Kennzahlen und besonders die Darstellung des Wissens über Spenderinnen und Spender innerhalb und außerhalb einer Fundraising Software. Nachhaltigkeit aus dieser Sicht bedeutet besonders, den Willen des Spenders stets im Fokus zu behalten und nicht nach dem Weggang des Fundraisers nach Beendigung des befristeten Vertrags wieder neu anfangen zu müssen und zu überlegen, wie denn nun ein Mailing gehandlet wird.

Jörg Eisfeld-Reschke

Nachhaltigkeit im Fundraising bedeutet für mich, dass die übergreifende Fundraising-Strategie auf die Sicherung der dauerhaften Einnahmequellen ausgerichtet ist. Neben Experimente und dem Aufnehmen bzw. Anwenden von Trends – was immer erlaubt sein sollte – braucht es meines Erachtens eine ordentliche Portion Konservativität im Fundraising-Management. Die Verantwortung der Fundraiser von heute ist die Finanzierung der NPO von morgen.

Wer den Dauerspender nicht ehrt, ist den Sponsor nicht wert. Mein Negativ-Beispiel für fehlende Nachhaltigkeit ist die Vernachlässigung der Privatspender zugunsten von Unternehmenskooperationen, damit man kurzfristig schöne Erfolge vorweisen kann.

Und jetzt ihr:

Was ist Eure Definition von Nachhaltigkeit im Fundraising?

Jörg Reschke
Author Jörg Reschke

Als Experte für Digitale Kommunikationsstrategien und Fundraising ist er bei der IT-Unternehmensberatung Capgemini als Business Analyst tätig und betreut im Schwerpunkt Nonprofit-Organisationen. Zuvor war er als Chief Marketing Officer bei Enscape (Real-Time Rendering und Virtual Reality für Architekten) bzw. als Chief goood Officer beim sozialen Mobilfunkanbieter goood tätig. Er gründete das Institut für Kommunikation in sozialen Medien und die Fachgruppe Digitales Fundraising im Deutschen Fundraising Verband.

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