(Dieser Artikel erschien als erstes in einer leicht veränderten Version in der Stiftung&Sponsoring 3/2025 vom Juni 2025)
Macht Ihnen persönlich die Social-Media-Nutzung noch Spaß? Oder ist das Bedienen der Stiftungskanäle im Alltag eher zur Pflicht geworden?
Nicht erst seit den aktuellen Entwicklungen in den USA ist deutlicher denn je, dass Menschen mit Profilen in großen sozialen Netzwerken deren Produkte statt Kunden sind. Datenschutzverletzungen sind an der Tagesordnung, und die Auswertungen und Profilbildungen von Nutzungsdaten tragen dazu bei, Menschen transparenter zu machen. Gleichzeitig nutzen gemeinnützige Organisationen genau diese Daten, um auf jenen Plattformen zielgerecht und kostenpflichtig zu werben. Die kommunikative, datentechnische und betriebswirtschaftliche Macht liegt bei Großkonzernen, die wir durch aktive Social-Media-Nutzung täglich erweitern.
Diese Zentralität führte zu Monopolen, deren Politik und Handlungen durch Einzelinhaber geprägt sind. So wurde innerhalb kürzester Zeit Twitter zu X und Meinungsfreiheit nach europäischem Vorbild zur Zensur. Ein Post von Elon Musk kann Weltpolitik verändern, Moderationsteams wurden abgeschafft, Desinformation und politisch extreme Agitation zum Standard der kommunikativen Atmosphäre. Besonders heikel: Die Plattform selbst entscheidet durch Algorithmen, was wir sehen sollen.
Von Konflikten mit der DSGVO, politischer Einflussnahme durch die Betreiber hin zur Verschiebung des inhaltlichen Diskurses in Richtung rechter Demagogie und Anschreierei: All dies entspricht nicht den ethischen Grundlagen der meisten Stiftungen und Non-Profit-Organisationen in Deutschland: z. B. ziehen sich gemeinnützige Akteure seit der Übernahme von X durch Elon Musk verstärkt von dort zurück.
Zeit für einen Perspektivwechsel
Das Fediverse existiert seit 2008. Es ist ein dezentrales Netzwerk aus tausenden unterschiedlicher digitaler Knoten, die sich untereinander austauschen und die Veröffentlichung von Inhalten ermöglichen. Mastodon als ein Teil des Fediverse wurde 2016 durch den deutschen Entwickler Eugen Rochko erfunden und wird seitdem ununterbrochen weiterentwickelt.
Die Plattformen im Fediverse sind datenschutzfreundliche, dezentrale, werbefreie und auf Open-Source-Code betriebene Kommunikationsplattformen. Sie stehen unter der ausschließlichen Kontrolle der Betreibenden. Da das Netzwerk aus tausenden Instanzen besteht, entfällt eine Gefahr der Abhängigkeit von einem Anbieter. Treu dem Grundsatz, dass soziale Netzwerke offen, unabhängig und frei sein sollen, gehört das Fediverse den Nutzenden.
Mastodon ist dabei am ehesten vergleichbar mit X. Weitere Plattformen sind u. a. Friendica (Facebook-„Ersatz”), Pixelfed (Instagram-Äquivalent) oder Peertube (YouTube-Alternative). Entscheidend ist, dass alle diese Plattformen durch eine gemeinsame technische Grundlage untereinander kommunizieren können und Crossposting möglich ist.
Zum Redaktionsschluss waren auf Mastodon ca. eine Mio. Menschen regelmäßig aktiv, bei knapp 10 Mio. existierenden Konten. Diese verteilen sich auf aktuell circa 8.600 Instanzen. Es wird deutlich, dass das Fediverse im direkten Vergleich in puncto Marktmacht derzeit kaum Relevanz zu den kommerziellen Konkurrenten besitzt. Bei jedem neuen Skandal rund um X wächst jedoch die Zahl der Nutzenden im Fediverse, insbesondere bei Mastodon.
Wie funktioniert Mastodon?
Während Instagram und X darauf programmiert sind, kurze, Dopamin produzierende Impulse zu liefern, ist die Debatten- und Diskussionskultur auf Mastodon ausgeprägter und auf einem höheren Niveau. Dies führt dazu, dass sich immer mehr Medien, Behörden und Organisationen dort versammeln. Der datenschutzkonforme Ansatz ermöglicht es, gezielt Menschen zu erreichen, die sich für einschlägige Themen interessieren.
Instanzen haben in der Regel kein kommerzielles Interesse. Jede instanzbetreibende Person kann die auf dem Server geltenden Kommunikations- und Verhaltensregeln festlegen. Community-Management auf Basis eigener Regeln ist möglich.
Likes sind im Fediverse keine Währung, da diese keinen Einfluss auf irgendeinen Algorithmus haben. Nutzungsverhalten wird nicht gemessen oder ausgewertet. Nutzende sind selbst verantwortlich dafür, was sie sehen und konsumieren möchten: Meldet man sich bei einem Netzwerk an, so sind die Timelines zunächst mangels Algorithmus leer. Inhalte müssen aktiv gesucht werden.
Themen können über Hashtags abonniert werden, ebenso Aktivitäten anderer Nutzender. Technische Brücken ermöglichen, dass auch Beiträge von Threads oder Bluesky im Fediverse sichtbar sein können. Darüber hinaus bietet Mastodon weitere technische und redaktionelle Optionen, die aufgrund des Umfangs des Artikels nicht betrachtet werden.
Nutzende haben auf Mastodon die Möglichkeit, drei Kommunikationsstränge/Timelines einzusehen und sich daran zu beteiligen:
- Persönliche Timeline: Dort fließen Inhalte hinein, für die man sich aktiv entschieden hat, also: gefolgte Personen, abonnierte Hashtags, Themen oder Diskussionen.
- Lokale Timeline: Hier befinden sich Inhalte der Menschen, die ausschließlich auf der eigenen Instanz aktiv sind, die das eigene themenspezifisch vernetzte Habitat darstellt.
- Förderierte Timeline: Dieser manchmal etwas chaotisch wirkende Bereich erfasst alles, was auf Mastodon in diesem Moment global und live geschieht, von der eigenen Instanz weitergeleitet wird oder nicht geblockt ist.
Technisch funktioniert dies entweder über die Nutzung im Browser, als App auf dem Rechner oder auf dem Smartphone. Die Wahl der Nutzung obliegt der persönlichen Präferenz.
Sollen wir oder nicht?
Ob Organisationen nun auf den Mastodon-Zug aufspringen sollen, hängt von unterschiedlichen Abwägungen ab. Daher geht der Weg vorweg zunächst über das persönliche Ausprobieren:
- Instanzwahl: Wählen Sie eine Instanz, die ihre Werte widerspiegelt. Die allermeisten Instanzen sind offen für jeden, so man die offen einsehbaren Kommunikationsregeln akzeptiert. Entscheidend: Sie können jederzeit eigenständig die Instanz wechseln und ihre Follower mitnehmen, ohne wieder bei Null anzufangen. Es gibt allgemeine Instanzen wie mastodon.social, thematische Instanzen wie kirche.social und regionale Instanzen wie norden.social. Auf joinmastodon.com gibt es eine große Anzahl an Einstiegsmöglichkeiten. Der Autor betreibt die kleine Instanz fundraising.social. (Herzliche Einladung, sich bei fundraising.social ein Konto zu klicken und Mastodon auszuprobieren.)
- Freiwillige Transparenz: Es ist guter Brauch bei Mastodon, das eigene Konto mit Informationen zu füttern, sodass die Teilnehmenden wissen, wer hinter dem Pseudonym steckt. Ebenso ist es üblich, bei einem Neueinstieg einen mit dem Hashtag #neuhier verbundenen Post zu veröffentlichen, um sich kurz vorzustellen.
- Inhalte finden: Einige Apps schlagen abonnierbare Themen vor, andere zeigen aktuelle (teils globale) Trends auf Mastodon an. So bleibt es bei den Nutzenden, Themen zu abonnieren und sich aktiv Quellen zu suchen. Für die Welt der Gemeinnützigkeit könnte das Abonnieren von Hashtags wie #Stiftung, #Fundraising, #gemeinnützig oder Inhalte wie #Naturschutz, #Bildung oder #Politik helfen. Im Übrigen kommt den Hashtags im Gegensatz zu den kommerziellen Alternativen durch den fehlenden Algorithmus eine größere Bedeutung zu: je mehr Hashtags im Post, umso besser.
Mastodon Kurz & Knapp
Für gemeinnützige Organisationen, die Wert auf Datenschutz, digitale Souveränität und transparente Kommunikation legen, bietet Mastodon eine Alternative zu kommerziellen sozialen Netzwerken. Die wachsende Verbreitung im deutschsprachigen Raum deutet auf eine zunehmende Bewegung hin zu datenschutzfreundlichen, dezentralen Plattformen.
Ob sich der zeitliche Aufwand für den Aufbau einer Mastodon-Community lohnt, bleibt eine individuelle Überlegung. Die Masse erreicht Mastodon noch nicht, dafür jedoch sehr aktive und interessierte Menschen. Es muss vor Ort geprüft werden, ob dies zu den Kommunikationszielen passt. Dies kann durch die aktive Beteiligung an einer vorhandenen Instanz geschehen oder durch das Hosting einer eigenen Instanz mit überschaubaren Kosten.
Ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist, dass sämtliche Inhalte unabhängig sind von amerikanischen Konzernen und somit Schutz vor plötzlichen Plattformänderungen bieten. Es gibt lokale Moderation nach transparenten, selbst festgelegten Regeln.
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels weist die Initiative SaveSocial auf die problematische Situation kommerzieller Netzwerke hin. Eine Forderung ist, dass öffentlich geförderte Inhalte auf mindestens einem offenen Kommunikationskanal wie Mastodon erscheinen sollten.
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