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Die Photokina und die neuen 360° Chancen für Nonprofits

Letzte Woche war photokina. Die alle zwei Jahre stattfindende Messe ist Pilgerort für alle, die im Auftrag des Sensors unterwegs sind. Vor Ort über 1000 Aussteller zu allen mainstreamigen oder auch nischigen Themen des fotografischen Sektors. Ausgestattet mit einem Presseticket ist es regelmäßig fraglich, ob ein Besuch nun beruflich stattfindet, oder nur aus purem Vergnügen besteht. Gut ist, dass vor Ort nahezu nichts gekauft werden kann und der Kreditkarten-Zück-Reflex zwangsläufig ausbleibt.

Eigentlich braucht man Tage, will man sich mit all den Dingen vor Ort beschäftigen. Da dies hier aber kein Fotoblog ist, sondern sich sehr eindeutig mit Fundraising und digitalen Themen beschäftigt, machen wir es kurz: Zwei bzw. drei Dinge (je nach Sichtweise) dominierten die Messe. Und um diese kommen Nonprofits mittelfristig nicht herum, wenn sie ansprechendes Foto- und Videomaterial für ihre digitalen Kanäle präsentieren und Fundraising betreiben möchten.

VR Brillen auf der Photokina
Schöne neue Brillen- und 3D-Welt.

360° Kameras und Virtual Reality

Seit langem wartet die Szene darauf, dass von den großen Anbietern (Nikon, Canon) wirklich neue Innovationen erscheinen, besonders im Bereich der professionellen spiegellosen Kameras. Nur wenig passierte. Nun scheint Nikon aber ein Schritt nach vorne geglückt zu sein. Im Oktober 2016 launcht der Kamerahersteller die erste für den Consumer- und Profibereich beiderseits brauchbare und erschwingliche sowie qualitativ anscheinend wirklich gute 360° Kamera. Es wird nicht lange dauern, bis Platzhirsch GoPro nachziehen wird.

Nikon Keymission 360
Das 360°-Gerät mit automatischer Kreditkarten-Zück-Funktion

Was zum Henker sollen Nonprofits mit 360°-Kameras anfangen?

Ähnlich kritisch bin ich an die Sache herangegangen. Aber wie auf der Bühne bei der Big Session von sozialmarketing.de auf dem letzten Fundraising-Kongress bereits erwähnt: Wer es noch nicht ausprobiert hat, bei dem wird es nicht Klick machen. In Kombination mit VR-Brillen wird das mediale Erlebnis um ein Vielfaches dichter. Der Fokus des Betrachters in Bild oder bewegter Szene liegt dort, wo er oder sie es will. Bildaufbauten müssen völlig neu beachtet werden. Während bei Nikon die Demo-Präsentation unter anderem auf Segelschiffen und Hubschraubern stattfand, so flimmerten dem Fundraiser andere Einsatzbereiche vor die Hirn-Linse. Im Urwald, unter Wasser (das Teil ist robuster als eine GoPro), in Rohbauten von durch Spenden realisierten Gebäuden, auf Sportveranstaltungen oder in der Massentierhaltung (gibt’s schon). Zusammen mit Live-Streaming völlig ungeahnte Möglichkeiten.

Facebook setzt bereits seit einigen Monaten auf Videos mit Finger- oder Gyroeinsatz im Stream. iPhones liefern 180° Fotos per Panorama-Funktion an Bord. Die neuen 360° Kameras werden diesen Trend massiv steigern. Ich würde sogar fast soweit gehen und sagen, dass sich Verhalten und Erwartungen des Betrachters in den kommenden Jahren massiv in diese Richtung verschieben werden. Datenmengen und Geschwindigkeiten (Stichwort 5G) werden sich in den kommenden Jahren massiv erhöhen, die Bildgröße nicht mehr entscheidend sein und 360° Bilder auf Websites Standard werden.

Alternativen?

Als Alternative bei der Hardware galt bislang der Panono Kameraball. Der WWF Deutschland hat diesen bereits im Einsatz. Erste Versuche scheint es also schon zu geben. Diese würde ich gerne mal sehen. Der Ball kann leider nur Fotos und liegt mit dem dreifachen Preis zur Nikon auch in einer völlig anderen Dimension, wenn auch für mittlere bis größere Organisationen dennoch erschwinglich. Eine weitere Alternative sind Konstruktionen, die sechs GoPros mit einander fixieren und später ein zusammengesetztes gemeinsames Bild liefern. Auch nicht günstig.

Lange habe ich keinen Sofort-haben-wollen-Kaufreflex gehabt. In diesem Fall schon. Die Vorbestellung ist raus, denn mehr geht gerade noch nicht.

In Kombination mit dem kommenden Thema wird’s dann besonders interessant:

Drohnen – für den Hausgebrauch und für Profis

Käfige, überall Käfige. Und mittendrin lustige kleine Fluggeräte im Preisrahmen von wenigen Hundert bis einigen Tausend Euros. Die meisten haben verschiedene Funktionen wie den Selfie-Modus, der die Kamera stets am Piloten ausgerichtet lässt. Oder auch den Follow-Me Modus, der den Menschen auf dem Boden bis zum Drücken des „Coming Home Buttons“ wie an der digitalen Leine verfolgt.

Drohnen auf der Photokina 2016
Alles fliegt, mal kleiner und mal größer. Viel Luft und viele Motoren.

Ob man’s braucht oder nicht, hängt wirklich vom Einsatzbereich ab. Vermutlich wird sich hier auch rechtlich einiges in den kommenden Monaten verändern. In der Tagesschau wird bereits vom Drohnenführerschein geredet. Aber denken wir an den Einsatz im Fundraising-Bereich: Flüge über Slums, Naturschutzgebiete, über Baustellen oder Kulturveranstaltungen. Vieles ist denkbar. Mit einem kleineren Winkel, besonders aber auch mit 360°. Und womöglich mit Live-Streaming Funktion.

tl;dr Zusammengefasst

Die technischen und finanziellen Hürden zur Produktion hochwertiger 360° Fotos und Filme gehen massiv runter. Sie werden für den Massenmarkt attraktiv. Dennoch kann Technik ein gutes Ergebnis nur unterstützen. Storytelling für Filme und Fotos muss völlig neu gedacht werden. Tut euch den Gefallen und holt euch für kleines Geld ein Cardboard und probiert 3D-Videos und den VR-Effekt aus. Wer das nicht tut, dem wird diese Welt verschlossen bleiben. Über erste Erfahrungen mit der neuen Kamera wird natürlich hier berichtet. Und wenn Ihr erste Erfahrungen habt, ebenfalls her damit.

Maik Meid
Author Maik Meid

Ruhrgebietskind. Jg. 1976, lebt in Hattingen, freiberuflicher Fundraising-Manager (FA). Seit >20 Jahren für Nonprofits tätig. Unterstützer für Fundraising und digitale Kommunikation, Foto- und Videograf. Studienleiter an der Fundraising Akademie. Begleitet Nonprofits durch den digitalen Dschungel. Macht das Fundraising Radio.

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