Recap

Fundraising Forum Doku: “Chancen von Web 2.0 für die Gemeindearbeit”

Am 08. Mai 2012 fand in Frankfurt am Main das 10. Fundraising Forum der Ev. Kirche Hessen und Nassau sowie der Diakonie Hessen-Nassau statt. Kooperationspartner war unter anderem die Fundraising Akademie.

Am Einsteiger-Workshop zum Thema “Chancen von Web 2.0 für die Gemeindearbeit” nahmen ca. 20 Personen aus dem kirchengemeindlichen Umfeld teil und das nicht bloß aus Hessen. Die Präsentation des mit 60 Minuten für einen kompletten Themenüberblick viel zu kurz geratenen Workshops ist hier eingebettet.

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Hier aber nun die vollständige Dokumentation:

Soziale Netzwerke – Chancen von Web 2.0 für die Gemeindearbeit

Eine Handreichung für Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen

Die Art, wie wir kommunizieren verändert sich seit einigen Jahren deutlich. Vor über 20 Jahren entwickelte sich das Internet zu einem für Privatpersonen nutzbaren Medium. Und von da an wurde in der Kommunikationswelt alles anders. Während in den ersten Jahren noch die reine Informationspräsentation im Mittelpunkt stand, so ist das Internet heute Leitmedium und ein Abbild der Informationsgesellschaft. Austausch, Kommunikation und Dialog stehen im Mittelpunkt – mit allen Sonnen- und Schattenseiten. Das Internet heute ist ein Abbild der Gesellschaft und längst kein Medium der Generation der unter 50 Jährigen mehr.

Stellen Sie sich vor…

Eine Utopie? Nicht nur am Sonntag ist der Gottesdienst voll, sondern die Daheimgebliebenen schauen sich die Predigt live oder im Anschluss an und diskutieren darüber. Die Jugendlichen auf ihrer Sommerfreizeit in Schweden posten Fotos und Erlebnisse des Tages und berichten vom ersten gesichteten Elch. Eltern aus dem gemeindlichen Kindergarten organisieren über ein soziales Netzwerk das kommende Frühlingsfest. Ihre Konfis sprechen am Wochenende über die Themen der letzten Konfistunde, und der Pfarrer ist beim Austausch mittendrin.

Soziale Netzwerke sind in der Kirche nichts Neues.

Diese Beispiele sind keine Utopien sondern reale Situationen aus Kirchengemeinden auch in Ihrer Nähe. Soziale Netzwerke eröffnen (nicht nur) gemeinnützigen Organisationen einen neuen Weg, direkt mit den Interessierten zu kommunizieren. Es können Menschen erreicht werden, die bislang nicht zur Kerngemeinde gehörten und den Weg ins Gemeindehaus noch nicht gefunden haben.

Unterstellen wir: Das Internet ist weder böse noch gut. Es ist einfach da. Es ist, ähnlich wie das Telefon ein Medium, über das Kommunikation stattfindet. Das soziale Netz, “Web 2.0”, “Social Media” sind zum aktuellen Zeitpunkt die wichtigste Ausprägung und entscheidende Daseinsform des Internets. Man kann diese Entwicklung kritisieren oder gut finden, aber man kann sie nicht ignorieren. Die Frage ist bloß, mit welcher Geschwindigkeit sich kommunikationsbetreibende Organisationen egal welcher Größe dieser Entwicklung stellen. Galt bis 2008, wer nicht im Internet existiert, der existiert auch nicht in den Köpfen der Nutzer, so gilt heute diese Definition für die Präsenz in sozialen Netzwerken.

Das Internet verändert nicht bloß die Kommunikation, es verändert die gesamte Gesellschaft. Menschen lösen gemeinsam etwas aus und verändern durch ihr Verhalten gesellschaftliche Entwicklungen. Hier stehen wir noch ganz am Anfang.

Nicht bloß Facebook und Twitter

Auf dem deutschen Markt sind Hunderte von Anbietern sozialer Netzwerkdienstleistungen zu finden. Jede Plattform besitzt unterschiedliche Anforderungen und richtet sich an unterschiedliche Zielgruppen. Welche Plattform für Kirchengemeinden sinnvoll erscheint, muss vorher durch eine Konzeption festgelegt werden. Eine pauschale Aussage kann nicht gemacht werden.

Vor dem Reden: Zuhören!
Selbst wenn Ihre Kirchengemeinde auf Facebook, Twitter und Co. noch nicht vertreten ist: Gehen Sie davon aus, dass man über Sie redet. Deswegen gilt: Reden ist gut, vorher genau Zuhören besser. Denn nur wer weiß, wie die eigene Zielgruppe digital mit einander kommuniziert, kann authentisch mitreden. Mehrere kostenlose Werkzeuge stehen für dieses Monitoring im Internet zur Verfügung.

Vor dem Start: Warum und wie?

Stellen Sie sich vor dem Start in die Welt der sozialen Netzwerke zwei Fragen: Warum wollen Sie präsent sein und wie wollen Sie das tun? Die Beantwortung dieser Fragen münden unweigerlich in ein Konzept. Egal, wie groß Ihre Einrichtung ist: In einer Social Media Konzeption legen Sie fest, welche Ziele Sie erreichen möchten und unter welchem Fokus die Ausrichtung Ihres Engagements steht.

Mögliche Ausrichtungen sind zum Beispiel:

  • Veranstaltungswerbung
  • Mobilisierung von Unterstützern für Aktionen
  • Gottesdienstberichterstattung
  • Unterstützung des Fundraisings
  • Seelsorge (sic!)
  • Kommunikationskanal für Gemeindegruppen
  • oder die Kombination mehrerer Ziele.

Die Praxis zeigt häufig, dass diese Ziele im Laufe der ersten Phase entweder angepasst werden müssen oder aber die Community darüber entscheidet, was tatsächlich passieren soll. Jede Ausrichtung verlangt eine andere Pflege. Eine weitere Frage vor der Auswahl der Plattform muss sein, ob Sie eine eigene Community aufbauen oder auf vorhandene Systeme (z.B. Facebook) setzen wollen.

Wer soll mit wem über was sprechen?

Geklärt und bereits vor dem Eintritt des Falls festgelegt werden sollte: Wie gehen Sie mit positiver und auch negativer Kritik um? Wie ist die Langfristigkeit Ihres Angebots gewährleistet? Welche Personen haben welche Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten?

Alles, was Recht ist.

Die allgemeine Diskussion rund um den Datenschutz verunsichert viele Verantwortliche von Organisationen, sich mit der Thematik zu beschäftigen. Dabei ist die rechtliche Dimension nur ein kleines Thema des Bereichs der schier unendlichen Möglichkeiten der Welt der sozialen Netzwerke.
Die Debatte rund um den Datenschutz scheint ein typisch deutsches Problem zu sein. In keinem Land der Welt wird dem Bürger so wenig zugetraut, was den Umgang mit seinen eigenen Daten angeht. Kirchengemeinden unterliegen in Deutschland dem Datenschutz der EKD, welches in den unterschiedlichen Gliedkirchen durch individuelle Verordnungen Gültigkeit besitzt. Häufig sind diese Verordnungen nicht auf dem Stand der technischen Entwicklung und beschreiben einen Status Quo aus vergangener Zeit. Dennoch sind sie gültiges Recht.
Die Kritik der Datenschützer betrifft zu einem großen Teil die im Hintergrund ablaufenden Datenübertragungsprozesse (z.B. der IP-Adresse) sowie die Datensicherheit des Anbieters. Entscheiden Sie sich für einen Anbieter, so akzeptieren Sie deren AGB und Nutzerbedingungen. Vertrauen Sie aber auch auf die Mündigkeit des individuellen Nutzers und unterstützen Sie ihn dabei, die entsprechenden individuellen Privatsphäre-Einstellungen zu setzen. Bieten Sie aktiv Hilfestellung und verschaffen Sie somit Vertrauen. Holen Sie sich Unterstützung bei Ihrem Datenschutzbeauftragten vor Ort, z.B. beim Finden datenschutzkonformer Lösungen für die Verlinkung ihrer Social Media-Angebote von ihrer Homepage (z.B. “Like-Button”). Seien Sie transparent und weisen Sie stets und offen auf die Datenverarbeitung hin.
Bedenken Sie aber auch, dass die von Ihnen preisgegebenen Informationen Ihrer Kirchengemeinde naturgemäß offen zugänglich sein sollten.
Es gilt grundsätzlich: Besonders umsichtiges Agieren als Privatperson seriöses Agieren als gemeinnützige Organisation oder Kirchengemeinde

Überprüfen Sie:

  • Verlinkungen zu sozialen Netzwerken über die Homepage
  • Bildrechte (Keine Präsentation von Fotos, an denen Sie nicht die zugesicherten Rechte haben. Beachten Sie auch, dass Netzwerke zum Teil eigene Veröffentlichungsrechte an ihren Bilder einfordern.)
  • Inhaberschaftsklärung: Wem gehört die Seite? Wer hat sie angelegt? Wer hat die Administrationsrechte? Wie wird bei einem Wechsel der Verantwortlichkeit damit umgegangen? Wie identifizieren sich unterschiedliche Adminstratoren und Redakteure beim Publizieren?

Halten Sie ein:

  • AGB der Anbieter sozialer Netzwerke (Verfolgen Sie Änderungen über einschlägige Blogs!)
  • Impressumspflicht (Achtung, Abmahngefahr!)

Die Kür

Größere Organisationen regeln intern den Umgang mit Sozialen Netzwerken in einer Social Media Policy. Für die meisten Kirchengemeinden wäre die Entwicklung einer komplexen Policy zu viel Arbeit. Dennoch stellen Policies die entscheidenden Fragen, um eine Konzeption zu entwickeln. Das kostenlos erhältliche e-Book “Social Media Policies für NGOs” von Jona Hölderle und Jörg Eisfeld-Reschke hilft entscheidend weiter.

Zum Inhalt: Gutes und nicht so Gutes!

Erzählen Sie Geschichten, schöne wie nicht so schöne. Wecken Sie Emotionen. Nur durch Emotionen fühlen sich Menschen ermutigt, sich zu äußern. Reine Zahlen interessieren kaum.
Seien Sie ehrlich. Veröffentlichen Sie falsche Fakten, so werden diese (besonders im regionalen Umfeld) schnell entdeckt.
Reagieren Sie zeitnah. Die Publikation einer Predigt 3 Tage nach dem Gottesdienst ist zu spät.
Reagieren Sie auch zeitnah auf Kritik und nehmen Sie die Nutzerinnen und Nutzer ernst.
Nehmen Sie das Hausrecht war und ziehen Sie auch im Notfall einmal die Reißleine. Sie dürfen durchaus Nutzer von der weiteren Diskussion aussperren, wenn die Grundsätze der guten Kommunikation verletzt sind. Gehen Sie aber sorgfältig mit dieser Möglichkeit um und kündigen Sie dies auch an.
Verwechseln Sie den digitalen Kanal nicht als kostengünstige Ergänzung zum Print-Bereich. Gemeindebriefe gehören nur im Ausnahmefall als pdf ins soziale Netz. Für das Digitale gelten andere Regeln. Vermeiden Sie Ignoranz. Nehmen Sie jede Anfrage ernst.
Social Media geht nicht “mal eben”. Stellen Sie Ressourcen zur Verfügung. Überlassen Sie die Kommunikation nicht dem Praktikanten. Es kann einfacher sein, einen Social Media affinen Menschen “gemeindefit” zu machen, als einen Gemeindekenner zu bitten, sich mit sozialen Netzwerken zu beschäftigen, wenn er oder sie nicht bereits Erfahrungen gesammelt hat. Und an dieser Stelle sammeln Sie Mut: Sie finden diesen Menschen.

Zusammengefasst…

Die Welt der sozialen Medien prägt die Kommunikation zwischen Menschen und Organisationen. Kirchengemeinden haben den Anspruch, im Leben der Menschen präsent zu sein. Diese Chance, noch tiefer im Alltag der Gemeindeglieder vertreten zu sein, sollte genutzt werde, gerade im regionalen Umfeld. Viele positive Beispiele finden Sie sicherlich auch in Ihrer Nachbarschaft.

Maik Meid
Author Maik Meid

Ruhrgebietskind. Jg. 1976, lebt in Hattingen, freiberuflicher Fundraising-Manager (FA). Seit >20 Jahren für Nonprofits tätig. Unterstützer für Fundraising und digitale Kommunikation, Foto- und Videograf. Studienleiter an der Fundraising Akademie. Begleitet Nonprofits durch den digitalen Dschungel. Macht das Fundraising Radio.

2 Comments

  1. Jörg Eisfeld-Reschke

    “Man kann diese Entwicklung kritisieren oder gut finden, aber man kann sie nicht ignorieren.”
    Und welche Reaktionen begegneten Dir in dem Umfeld auf diese Aussage?

    Klasse finde ich die sechs konkreten Einsatzbereiche für kirchliche Online-Kommunikation. In einer ähnlichen Aufzählung für NGOs füge ich sonst noch Lobbyarbeit und Personalentwicklung hinzu.

    Das Vorhandensein einer Social Media Policy bezichnest Du als Kür. Keine Frage, das setzt eine ordentliche Institutional Readiness voraus, die nicht überall gegeben ist. Aber eigentlich sollte es die Grundlage bilden für die Online-Kommunikation. Aber naja, Theorie meets Praxis. Gibt es eigentlich Gemeinden oder Bistümer mit einer Social Media Policy?

  2. Avatar

    Hi Jörg,
    die Reaktionen sind unterschiedlich. Meist nicken alle mit dem Kopf, aber dann kommt doch noch der Standardsatz der +50-Jährigen “Gut, dass ich mich damit nicht mehr beschäftigen muss.”. Dass dies ein Trugschluss ist, versuche ich zu vermitteln.
    Policies als Kür? Ja, und dabei bleibe ich auch. Das Seminar ging zunächst in Richtung Zielgruppe Kirchengemeinden. Und aus eigener Erfahrung im Bereich Fundraising weiss ich, dass häufig bzw. meist nur die Basics überhaupt Gehört finden. Jetzt darf man streiten, ob eine Policy zu den Basics gehört oder nicht. Für alles überhalb der Ebene Gemeinde sage ich auch ganz klar ja. Auch eine aktive Entscheidung gegen eine Policy setzt eine vorausgegangene Diskussion voraus. Auch gut. Aber Gemeinden werden das nur in Ausnahmefällen heben können. Meistens fehlen vor die echten Basics: Verständnis, Personen der Umsetzung und häufig letztendlich auch der politische Wille. “Wir wollten doch auch mal in dieses Facebook, wer macht’s denn jetzt?” ist und bleibt ein häufig gehörter Satz. Digitale Innovation bei Kirchengemeinden befindet sich häufig noch auf der Ebene des pdf-Downloads des letzten Gemeindebriefs.
    Es gibt noch viel zu tun…

    Maik

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