Diskussionen

10 Erfolgsfaktoren für soziale Kampagnen im Netz

Am 16. und 17. April hat die re:campaign als Unterkonferenz der re:publica in Berlin stattgefunden. NGO-Experten und Webspezialisten präsentierten und diskutierten die besten Kampagnen im Netz. In einer rückblickenden Zusammenfassung haben Judith Orland und Robert Dürhager auf der Berliner Socialbar vier Erfolgsfaktoren für soziale Kampagnen im Netz formuliert. Diese Sammlung von Erfolgsfaktoren wird an dieser Stelle ergänzt.

Im Allgemeinen gelten für Kampagnen – unabhängig von der Frage ob sie offline, online oder crossmedial umgesetzt werden – die Erfolgsfaktoren der Kreativität, des Zeitpunkts und der Herstellung von Betroffenheit. Mit der richtigen Ansprache und dem geschickten Instrumenteeinsatz können Stimmungen kreiert bzw. wahrgenommen und darauf reagiert werden. Daraus entsteht ein Viralpotential. Wird eine Kampagne viral weitergetragen, so können expotentiell viele Menschen erreichen werden. Dafür muss die Kampagne entsprechend gut sein. Die folgenden zehn Erfolgsfaktoren sollten hierfür bedacht werden:

1. Formulierung eines klaren Kampagnenziels
Nur wenn ich weiß, was ich erreichen möchte, kann ich dieses auch erreichen. Die klare (smarte) Zielformulierung mit entsprechenden Zwischenzielen und dazugehörigen Maßnahmenplanung gehört zu den Basiselementen. Neben der Qualität der Zielformulierung ist es vor allem die Auswahl der wenigen relevanten Ziele, also eine bewusste Reduktion, die erfolgversprechend ist.

2. Monitoring und Evaluation
Jedes Ziel und Zwischenziel kann bei einer klaren Formulierung durch geeignete Kennzahlen gemessen werden. Die regelmäßige Erfassung und Auswertung der Daten hinsichtlich der Zielerreichung sollte in der Kampagnendurchführung nicht als Damoklesschwert über den Köpfen der Beteiligten schweben, sondern jeder Monitoringschritt als Chance aufgefasst werden die Kampagne zu verbessern. Identifiziert das Team Schwachpunkte und Erfolgselemente rechtzeitig, so steigert die Anpassung der Maßnahmen Effektivität und Effizienz der Kampagne. Für die ausführliche Evaluation nach Abschluss der Kampagne sollte ebenfalls ausreichend Zeit eingeplant sein, damit das Lernen für eine Folgekampagne gesichert ist, bevor dasTagesgeschäft den Alltag übernimmt.

3. Kampagnenfähige Organisationsstrukturen
Das größte Hindernis für erfolgreiches eCampaigning ist meist die eigene Organisationskultur. eCampaigning ist harte Arbeit, es Bedarf qualifiziertes Personal und ausreichende zeitliche sowie finanzielle Ressourcen. Die wenigen Personen, die eCampaigning in Organisation aufbauen wollen, müssen hier vor allem Überzeugungsarbeit bei den Vorgesetzen machen. Eine gute Strategie dabei ist es, möglichst gut zu sein. Klare Strategien schreiben, Ziele definieren, Online-Kampagnen gut planen, kleine Schritte machen und intern Mitstreiter finden hat sich hier als Best-Practice bei der Etablierung von eCampaigning in der eigenen Organisation ergeben.
[via Judith Orland/Robert Dürhager]

4. Online-Kampagnen brauchen Professionalität
Es besteht teilweise der Eindruck, dass es für die Umsetzung von Online-Kampagnen weniger Professionalität und Anspruch braucht als offline. Den Fehler eine Twitter-Nachricht mit einem Spendenmailing zu verwechseln sollte man dadurch begegnen, dass die Zusammenhänge und das Zusammenspiel der zahlreichen Maßnahmen innerhalb einer Online-Kampagne dargestellt werden. Die Umsetzung von Online-Kampagnen mit hohem qualitativen Anspruch bindet nicht weniger Kompetenzen und Kapazitäten als herkömmliche Kampagnen.

5. Crossmedial – Online und Offline verknüpfen
Die Wirkung einer Online Kampagne kann durch eine geschickte Online und Offline Verknüpfung optimiert werden. Das was meist abstrakt online passiert (z.B. die Unterschrift einer Petition) kann offline erfahrbar gemacht werden. Ausgedruckte Briefe, ein Papp-Aufsteller pro Unterstützer, eine gelungene Übergabe an Zielperson zeigen nicht nur den Unterstützern die Größe der Aktion, sondern auch den Entscheidungsträgern.
[via Judith Orland/Robert Dürhager]

6. Der richtige Zeitpunkt: “Be prepared to be lucky!”
Zur richtigen Zeit die richtige Kampagne zu machen kann den Erfolg um vielfaches potenzieren. Krisen und entscheidende Momente kommen bestimmt, deshalb müssen für diese Fälle Planungen vorhanden sein, genauso wie möglichst große Reichweiten-Ressourcen. E-Mail-Verteiler und (wie Beispiel Haiti gezeigt hat) auch Mobile-Verteiler sind hier wichtig. Auch für den Fall eines überraschenden viralen Erfolgs sollte geplant sein – “be prepared to be lucky”.
[via Judith Orland/Robert Dürhager]

7. Gute Kampagnen bieten konkrete Handlungsmöglichkeiten
Stellt eine Kampagne im richtigen Moment Betroffenheit her und sensibilisiert die Zielgruppe für das gewünschte Thema, so sollten aktive Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Konkrete Handlungsmöglichkeiten sollten erläutert und vorbereitet werden. Egal ob es sich um eine Online-Spende mit dargestellter Wirkung, Optionen für Online-Handeln oder Vorlagen für eigene Offline-Aktionen handelt – sie sollten mit wenigen Schritten umzusetzen sein.

8. Kampagnen niedrigschwellig halten
Erfolgreiche Online-Kampagnen sind in Sprache und Handlung niedrigschwellig. Es sind wenig inhaltliche Voraussetzungen nötig um den Inhalt und die Handlungsoptionen zu verstehen. Einfache Sprache klingt simpel, stellt jedoch hohe Anforderungen an die textliche Umsetzung. Die Reduktion auf Kernbotschaften und das Vermeiden von Fachbegriffen (oder gar Abkürzungen) verliert spätestens dann die Selbstverständlichkeit, wenn es zu Aushandlungsprozessen mit den inhaltlich Verantwortlichen kommt.

9. Email ist noch das effektivste Werkzeug für eCampaigning.
E-Mail ist immer noch das effektivste Werkzeug für eCampaigning. Jeder Internetbenutzer hat eine E-Mail und die Unterstützer werden durch eine E-Mail aktiv zu Aktionen aufgefordert. Vor allem aber können E-Mail-Listen von Kampagne zu Kampagne mitgenommen werden und damit ein nachhaltiger Unterstützeraufbau gewährleistet werden. Der Aufbau und die Optimierung von E-Mail-Listen ist Basis einer guten eCampaigning Strategie.
[via Judith Orland/Robert Dürhager]

10. Fehler sind erlaubt, wenn daraus gelernt wird.
Der Einsatz von sozialen Medien in einer Organisation und die Orchestration dieser im Rahmen einer Online-Kampagne möchte gelernt sein. Ebenso wie das Layout von Jahresberichten in den neunziger Jahren im heutigen Vergleich als verstaubte Peinlichkeit im Archiv verweilt, werden auch Online-Kampagnen einer Organisation sich Stück für Stück entwickeln. Fehler passieren. Ihre Dokumentation und Aufarbeitung stößt einen Lernprozess an, der zu steigender Professionalität führt.

Jörg Reschke
Author Jörg Reschke

Als Experte für Digitale Kommunikationsstrategien und Fundraising ist er bei der IT-Unternehmensberatung Capgemini als Business Analyst tätig und betreut im Schwerpunkt Nonprofit-Organisationen. Zuvor war er als Chief Marketing Officer bei Enscape (Real-Time Rendering und Virtual Reality für Architekten) bzw. als Chief goood Officer beim sozialen Mobilfunkanbieter goood tätig. Er gründete das Institut für Kommunikation in sozialen Medien und die Fachgruppe Digitales Fundraising im Deutschen Fundraising Verband.

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